Die Digitalisierung kommt hierzulande voran

Bei Customer Experience und Operations kommen Unternehmen laut Capgemini in der Digitalisierung voran. Dem Umbau fehlt aber noch die Nachhaltigkeit. Zudem sind manche Mitarbeiter schlecht integriert.

Anschub: „In der Corona-Krise haben sich viele Unternehmen neu erfunden“, berichtet Claudia Crummenerl, Managing Director bei Capgemini Invent. „Das anhaltend hohe Tempo der technologischen Innovation und der Disruption von Geschäftsmodellen in den vergangenen zwei Jahren hat die Digitalisierung vorangetrieben. Die bemerkenswerten Fortschritte beim Aufbau der notwendigen Kompetenzen und Führungsfähigkeiten, haben uns dazu veranlasst, unsere Studie erneut durchzuführen.“

Für die Studie „Digital Mastery 2020: How Organizations have progressed in their digital Transformations over the past two Years“ hat das Capgemini Research Institute im Mai und Juni 2020 weltweit 1.000 Führungskräfte aus Betrieben unterschiedlicher Branchen mit einem Umsatz von mindestens einer Milliarde US-Dollar zu ihrer Einschätzung des Reifegrads der für die digitale Transformation erforderlichen Kompetenzen in ihrem Haus befragt. Ein Fünftel der Unternehmen erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von mehr als 20 Milliarden US-Dollar. Die Merkmale der für die aktuelle Studie Befragten sind mit denen der Stichprobe von 2018 vergleichbar.

Zwei Drittel aller Betriebe haben digitale Fähigkeiten

In der digitalen Transformation verzeichnen laut Capgemini-Studie alle Branchen Fortschritte. Knapp zwei Drittel der Unternehmen weltweit verfügen heute über die Fähigkeiten (60 Prozent) und Führungskompetenzen (62 Prozent), die für eine erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation erforderlich sind. Im Jahr 2018 lag der Anteil in beiden Bereichen noch bei jeweils 36 Prozent.

Um zu verstehen, wie Unternehmen ihre Fähigkeiten in den vergangenen zwei Jahren weiterentwickelt haben, haben die Forscher die vier Kategorien Talent und Organisation, Operations, Innovation von Geschäftsmodellen sowie Customer Experience betrachtet. Die Capgemini-Studie für 2020 ergab im Vergleich zur im Jahr 2018 durchgeführten Studie zu Digital Mastery, dass inzwischen alle Unternehmen bei der digitalen Transformation besser abschneiden. Die Unternehmen, die bei den digitalen Kompetenzen und Führungsfähigkeiten führend sind (Digital Masters), konnten den Abstand zu ihren Wettbewerbern jedoch vergrößern. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Angesichts der Dringlichkeit von Veränderungen sind Unternehmen enthusiastischer und optimistischer geworden, was den Reifegrad ihrer Fähigkeiten angeht. Zudem haben sich die Unternehmen seit 2018 Zeit genommen, die Herausforderungen zu evaluieren, die dem Erfolg im Wege stehen. Sie haben die Einführung neuer Technologien verstärkt und einen neuen Fokus auf die Bereiche Talent und Kultur gelegt.

Handel, Telekommunikation und die Pkw-Branche an der Spitze

Wie der  Blick auf die Branchen zeigt, übertrifft der Handel bei der Digitalisierung alle anderen Branchen: 73 Prozent der befragten Einzelhandelsunternehmen gaben an, über die für die Transformation erforderlichen digitalen Fähigkeiten zu verfügen. Vor zwei Jahren waren dies noch 37 Prozent. Getrieben wird dieser Anstieg von Händlern, welche sich angesichts der steigenden Nachfrage der Verbraucher nach Online-Angeboten stärker auf den E-Commerce ausgerichtet haben. An zweiter Stelle folgt die Telekommunikationsbranche mit 71 Prozent (2018: 38 Prozent). Hier ist es vielfach gelungen, für die Kunden umfassende digitale Erlebnisse zu schaffen. Den größten Zuwachs bei den digitalen Fähigkeiten verzeichnet der Automobilsektor – dieser konnte seinen Anteil von 32 Prozent im Jahr 2018 auf nun 69 Prozent steigern. Erhöhte Investitionen in Bereichen wie autonomes Fahren, Mobilität, Elektrifizierung und Konnektivität haben die Innovation der Geschäftsmodelle beschleunigt.

Bei Talent- und Kulturaspekten besteht oft Nachholbedarf

Da manche Unternehmen es versäumen, die Mitarbeiter bei ihrer Transformationsreise mitzunehmen, stellt die die menschliche Dimension ein wesentliches Hindernis für die Digitalisierung dar. Das hat bereits die Studie aus dem Jahr 2018 gezeigt. Inzwischen beziehen mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in ihre digitalen Initiativen ein: 2020 waren es 63 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent im Jahr 2018. Dies ist zwar ein großer Fortschritt, dennoch investiert bislang weniger als die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) in den Aufbau von Soft Skills wie emotionale Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und Zusammenarbeit. Die aktuelle Capgemini-Studie zeigt zudem, dass die Unternehmenskultur ein  großes Hindernis für eine erfolgreiche digitale Transformation darstellt. So werden in einigen Unternehmen neue Ideen und Experimente noch nicht genügend wertgeschätzt.

Erst Investitionen in die Nachhaltigkeit bringen den Erfolg

Die Studie macht deutlich, dass Unternehmen zwar Faktoren wie die Customer Experience, ihre Operations und die Unternehmenstechnologie im Auge behalten müssen, aber auch Nachhaltigkeit und der Unternehmenszweck (Purpose) stärker im Fokus stehen sollten. Diese Themen sind für Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen wichtig geworden. Die Verbraucher interessieren sich zunehmend für den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen, beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und wollen mit ihrem Handeln etwas bewirken. 78 Prozent der Verbraucher sind der Meinung, dass Unternehmen über ihre Eigeninteressen hinaus eine größere Rolle in der Gesellschaft spielen müssen. Die aktuelle Capgemini-Studie zeigt, dass derzeit lediglich 45 Prozent der Unternehmen Investitionen, Projekte und Engagement im Bereich Nachhaltigkeit vorantreiben. Telekommunikationsunternehmen (59 Prozent) führen den Branchenvergleich an, gefolgt von der Automobilindustrie (55 Prozent), dem Handel (52 Prozent) und dem Bankenwesen (48 Prozent). Versicherungen (35 Prozent) sowie Energie- (33 Prozent) und Konsumgüterunternehmen (31 Prozent) liegen zurück.

Um die digitale Transformation weiter voranzutreiben, sollten Unternehmen laut Capgemini das Mitarbeitererlebnis neu erfinden, die Vorteile einer flexiblen Belegschaft („Fluid Workforce“) nutzen und sicherstellen, dass die Sozialleistungen für die Mitarbeiter an die Herausforderungen des digitalen Zeitalters angepasst sind. Darüber hinaus sollten Betriebe robuste Daten- und Plattformkapazitäten aufbauen und neue Geschäfts- und Engagement-Modelle skalieren. Zudem sollten sie Purpose und Nachhaltigkeit als Kernelemente im Unternehmen verankern und diese fest in ihre Unternehmenskultur integrieren. Es gilt zudem, Technologie immer auch unter beiden Aspekten – dem der digitalen Transformation und der Nachhaltigkeit – zu betrachten.

Datengesteuerte Unternehmen widerstehen Krisen

„Unternehmen haben bei einer Vielzahl von Maßnahmen in den Bereichen Customer Experience, Operations, Business und Technologie Fortschritte gemacht, aber dennoch stehen viele immer noch vor der Herausforderung, Purpose und Nachhaltigkeit in ihre Transformationsstrategien zu integrieren“, berichtet Capgemini-Expertin Claudia Crummenerl. „Wenn Unternehmen das Mitarbeitererlebnis und Arbeitsweisen neu erfinden, Purpose in ihr Betriebsmodell einbetten, auf Datensteuerung setzen und neue Geschäftsmodelle über das Pilotstadium hinaus skalieren, erlangen sie die digitale Reife und Resilienz, um sich an künftige Unsicherheiten anzupassen.“

Den vollständigen Report steht hier kostenlos zum Download bereit.      Jürgen Frisch

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