Covid-19 wirkt als Turbo für die Digitalisierung

Je weiter ein Unternehmen in der Digitalisierung ist, desto widerstandsfähiger ist es in der Krise. Nachzügler in dieser Transformation werden es schwer haben, erklärt Carlo Velten, Mitgründer von Cloudflight.

Großflächiges Homeoffice, E-Learning und Online-Medizin – was bis vor Kurzem noch unmöglich schien, ist Alltag geworden. Die Corona-Krise ist ein Wendepunkt in der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Während in den vergangenen Jahren viel über ihre disruptive Kraft diskutiert, aber wenig gehandelt wurde, zeigt sich jetzt der wahre Charakter Innovationen. Sie machen Unternehmen und Organisationen in Krisenzeiten anpassungsfähig, handlungsfähig und damit überlebensfähig. Digitale Innovation ist damit gleichbedeutend mit „digitaler Resilienz“ – also der Fähigkeit, sich mittels Digitalisierung gegen unvorhergesehene Krisen und externe Einflüsse zu immunisieren.

In der aktuellen Krise erkennen CEOs, CIOs und Politiker, dass die disruptive Kraft nicht von Start-ups oder digitalen Geschäftsmodellen ausgeht, sondern von einem Virus. Der Zusammenhang zwischen Digitalisierungsgrad und Wettbewerbsfähigkeit tritt klar zutage. Während Amazon seine Marktmacht ausbaut, stehen viele traditionelle Unternehmen in Europa vor dem Aus. Automatisierte Prozesse, datengetriebene Entscheidungen und ein digitales Geschäftsmodell werden zum Survival-Kit in der Corona-Wirtschaft. Die Krise verändert zudem die Adaption neuer Technologien. Digitale Nachzügler und Zauderer wird es wohl bald nicht mehr geben. Was zählt, sind pragmatische Lösungen. Der Sinneswandel, der derzeit durch Deutschland und ganz Europa geht, kann die Basis für eine erfolgreiche und schnelle Digitalisierung in der Post-Corona-Phase bilden.

Carlo Velten ist Digitalisierungsexperte und Mitgründer des Consultinghauses Cloudflight.

Viele Betriebe haben die Transformation noch vor sich

Die Marschroute ist klar. Die Digitalisierung muss während und nach der Krise vorangetrieben werden. Schließlich wird COVID-19 nicht die letzte Krise sein, welche die hyper-vernetze Welt trifft. Allerdings ist der Status Quo in vielen Unternehmen ernüchternd:

  • Die Mehrheit der Unternehmen hat weder flächendeckende Homeoffice-Regelungen noch eine etablierte „New Work”-Kultur.
  • Über 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben die digitale Transformation nicht abgeschlossen.
  • Logistik- und Produktionsketten sind zwar optimiert, aber meist auf Basis von Erfahrungswissen und Prozessdokumentationen statt digitaler Automation und autonomer Steuerung durch Künstliche Intelligenz.
  • Kundenbeziehungen und Kommunikationskanäle sind nur teilweise digitalisiert und automatisiert.

CIOs und Digitalchefs müssen nun weitreichende Entscheidungen treffen. Neben dem Krisenmanagement ist ein Portfolio- und Budget-Review erforderlich. Es gilt, kurzfristig aus operativer und strategischer Perspektive zu bewerten, welche Digital- und IT-Projekte weitergeführt und welche gestoppt werden. Auch muss geklärt werden, wie IT und Digitalabteilung zu den unternehmensweiten Sparzielen beitragen und freien Cashflow generieren, und welche krisenrelevanten Projekte und strategischen Innovationen weiter finanziert werden.

So fährt das Business nach der Krise wieder hoch

Die Krise bedeutet auch eine Chance: die Neuausrichtung der Strategie für die kommenden Jahre. Entscheider legen nun fest, wie, mit welchen Partnern, Technologien und mit welchen Anbietern sie ihr Business nach Corona weiterführen.

Nach der Krise ist ein vollständiger „Reset“ möglich. Das gilt beispielsweise für Unternehmen in stark krisengebeutelten Branchen, die bereits nahe am Abgrund stehen und ihre Strategie und Finanzsituation komplett neu überdenken. Aber auch für Unternehmen mit einem hohen IT-Legacy-Anteil sowie solche, in denen in den letzten Jahren die digitale Transformation ausgebremst wurde, kann ein „Reset“ sinnvoll sein.

Für die meisten Betriebe ist allerdings ein „Reboot“ der wahrscheinlichste Weg. Auch wenn es sich hierbei nur um einen Neustart handelt, sollten CIOs und CDOs einige „Updates” machen und „Patches” einspielen. Der durch die Krise veränderten Wirklichkeit werden sie in jedem Fall Rechnung tragen.

Die Corona-Krise zeigt: Digitalisierung macht die Unternehmen in Krisen widerstandsfähiger. Die IT sollte daher autonom, automatisiert und agil werden. Analog zur IT-Infrastruktur (Hybrid Cloud) werden auch Unternehmens- und IT-Organisationen zunehmend hybrid. Algorithmen und autonome Maschinen werden ihren Platz neben den Menschen und Applikationen beziehungsweise Business-Prozessen einnehmen.

Autonome Systeme und Künstliche Intelligenz

Es ist davon auszugehen, dass die IT-Organisation der Zukunft nicht mehr nur menschliche Nutzer, Applikationen, Daten und Hardware verwaltet. auch intelligente, autonome Maschinen und Anlagen sowie autonome Algorithmen werden bald wesentliche Assets, welche die die IT betreut.

Während man früher noch brav seine PCs und Notebooks inventarisierte und Lizenzen gezählt t hat, wird in der Zukunft das Lifecycle-Management von unternehmenskritischen Algorithmen und der Betrieb von hochgradig autonomen und automatisierten Fertigungsanlagen und Logistikketten im Fokus der IT stehen. Globale Internet- und Cloud-Companies wie Amazon, Facebook und Google geben hier einen Vorgeschmack. Dort sind schon heute Algorithmen die zentralen Assets.      jf

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