Big Data und Industrie 4.0 verlangt Neuausrichtung im Controlling

In Zeiten der unternehmensübergreifenden Vernetzung der Produktion muss das Controlling Trends wie Industrie 4.0 und Big Data aufgreifen. So lautet das Fazit des 28. Stuttgarter Controller-Forums.

Über den von Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horvath (rechts) verliehenen Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit zum anwendungsorientierten Controlling freuen sich Dr. Maximilian Bode (mitte), der seine Doktorarbeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden verfasst hat und der Doktorvater Prof. Dr. Ronald Gleich. ©: FOR IMPACT/Lipskoch

Über den von Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth (rechts) verliehenen Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit zum anwendungsorientierten Controlling freuen sich Dr. Maximilian Bode (mitte), der seine Doktorarbeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden verfasst hat und der Doktorvater Prof. Dr. Ronald Gleich. ©: FOR IMPACT/Lipskoch

„Industrie 4.0 und Big Data sind zwei Trends, die Unternehmen und ganze Branchen komplett verändern. Das Controlling muss sich daher neu ausrichten“, formuliert Dr. Uwe Michel, Kongressleiter und Mitglied des Vorstands von Horváth & Partners Management Consulting das Grundthema des Stuttgarter Controller-Forums. „Die Digitalisierung der Wirtschaft schreitet voran und führt im Endziel zu einer Produktion ohne Grenzkosten, in der Unternehmen individuelle Waren und Dienstleistungen mit der Losgröße Eins an die Kunden bringen.“ Das Schlagwort Industrie 4.0 definiert der Controlling-Experte als „die technische Integration von Cyber Physisical Systems in die Produktion und die Logistik sowie die Anwendung des Internets der Dinge in industriellen Prozessen – einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation.“ Entscheidende Wettbewerbsfaktoren in dieser Wirtschaft seien intelligente Produktionsanlagen sowie die Daten zu deren Steuerung.

Key Performance Indicators sind künftig in Echtzeit verfügbar

Im Internet der Dinge und Dienste seien Informationen durchgängig in Echtzeit verfügbar, und das wiederum beschleunige und verkürze die Entscheidungen und flexibilisiere Geschäftsabläufe. Integration und Vernetzung in Wertschöpfungsnetzwerken fänden unternehmensübergreifend statt. Die Prozesse und Systeme der Produktion würden in diesem Netzwerk im laufenden Betrieb optimiert. Auf das Controlling hätten diese veränderten Rahmenbedingungen dramatische Auswirkungen: Kalkulation, Kostenrechnung und Ergebnisrechnung müssten sich auf die veränderte Wertschöpfung und auf neue Geschäftsmodelle einstellen. Controller sollten neue Ansätze für altbekannte Instrumente integrierte Werteflüsse und Abweichungsanalysen entwickeln. Das Reporting profitiere künftig von Echtzeit-Ansätzen, müsse aber andererseits neue Key Performance Indicators (KPIs) finden und seine Darstellungsvarianten überarbeiten. Controlling-Systeme würden zunehmend interaktiv. Sie vernetzten die Partner der Wertschöpfungskette und ermöglichten einen Dialog.

Big Data fordern das Controlling heraus

„Der Controller muss sich künftig mit Big Data auseinandersetzen, denn Informationsversorgung gehört ja zu seinen Kernaufgaben“, beschreibt Michel die Veränderung des Rollenbildes. Big Data, also die Analyse großer, unstrukturierter und kontinuierlich fließender Datenmengen in Echtzeit, werde künftig das Controlling massiv verändern: Unterjährige rollierende Steuerungszyklen, schnelle Entscheidungen und eine hohe Flexibilität dürften wohl den bisherigen Jahresrhythmus ablösen. Zukunftsgerichtete Forecasts im Rahmen von Predictive Analytics würden wichtiger als das vergangenheitsorientierte Reporting. Die Bedeutung nicht-monetärer Informationen für die Unternehmenssteuerung werde zunehmen. Leistungsfähige Algorithmen würden künftig Teile des Controllings übernehmen, könnten die Controller aber nicht ersetzen.

„Controller sollen die Rohdaten zu Steuerungsinformationen für Entscheidungsträger veredeln“, mahnt Michels. „Um die Potenziale aus Big Data zu heben, müssen sie die richtigen Fragen stellen. Dafür wiederum sollten sie Know-how bezüglich der Datengrundlagen und bezüglich Advanced Analytics aufbauen“ Big Data sei keinesfalls ein reines IT-Projekt. Controller müssten vielmehr in Zusammenarbeit mit Data Scientists und den Funktions- und Geschäftsbereichen passende Anwendungsfälle identifizieren. Sie sollten dabei die Informationen über alle Bereiche des Unternehmens hinweg integrieren und isolierte Datensilos soweit wie möglich vermeiden.

Die Maschinenfertigung läuft mit einer Schicht weniger

Ein Beispiel für den betriebswirtschaftlichen Nutzen von Industrie 4.0 zeigt Nicolas Meier-Scheubeck, Sprecher der Geschäftsführung der Maschinenfabrik Reinhausen aus Regensburg. Die Maschinenfabrik vernetzt jede Maschine mit einem Hub, und dieser wiederum übernimmt die zentrale Koordination der Fertigung. „Unser Manufacturing Execution System weiß genau, wo sich welches Werkstück und jede Maschine befindet, und in welchem Bearbeitungsstand die Produktion sich gerade befindet. Das ergänzt die Informationen aus dem SAP-System, denn dort ist der Status des Auftrags hinterlegt.“ In der Fertigung benötigt das Unternehmen dank der optimierten Organisation eine Schicht weniger bei gleichem Output. Weil durch die verbesserte Positionierung weniger Umlauf und Neubestückungen nötig sind, konnte die Zahl der Werkzeuge um 60 Prozent reduziert werden. Der Flächenbedarf für die Fertigung ist um 40 Prozent gesunken. „Aktuelle Prozesskennzahlen stehen den Controllern sofort zur Verfügung“, berichtet Meier-Scheubeck. „Als Nebenfolge davon haben wir nun ein praktisch papierloses Büro.“

Automatisierungskomponenten ergänzen bisherige Steuersysteme

Die Rolle intelligenter Automatisierungskomponenten für die Produktion der Zukunft beschreibt Prof. Dr. Peter Post, Head of Corporate Research and Technology bei der Festo AG, die in Esslingen Steuerungs- und Automatisierungstechnik für die Industrie herstellt: „Unsere sensorgesteuerten Elemente stellen eine Art Legokasten für den Produktionsingenieur dar. Die Intelligenz des einzelnen Werkzeugs reicht aber alleine nicht aus. Um das Gesamtsystem zu optimieren, müssen alle Instrumente übergreifend koordiniert werden.“ Die Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 laufe langfristig und in kleinen Schritten ab. Die neuen Werkzeuge würden dabei die bisherige speicherprogrammierbare Steuerung nicht ersetzen, sondern ergänzen. Letztere sei auch künftig im Vorteil, wenn es auf Durchsatz und Stückzahl ankommt. Auch wenn sich die Produktion im Rahmen der erhöhten Automatisierung teilweise selbst optimiere, sei immer noch ein Produktionscontroller notwendig, der das Gesamtsystem steuere.

Wie in den Vorjahren wurde auf dem Forum der mit 25.000 Euro dotierte Controlling-Preis verliehen, den die Péter Horváth Stiftung alljährlich für die beste wissenschaftliche Arbeit zum Thema anwendungsorientiertes Controlling ausschreibt. Preisträger ist Dr. Maximilian Bode von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden. Seine Arbeit .mit dem Titel „Wertschaffung und Wertaneignung durch Lebenszykluskosten. Eine Operationalisierung und empirische Überprüfung am Beispiel der Industriegüterbranche“ beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit Unternehmen für ein Produkt einen höheren Preis erzielen können, wenn sie dem Käufer nachweisen, dass dieses niedrigere Lebenszykluskosten verursacht als Konkurrenzangebote. „Die Arbeit greift ein wichtiges Thema aus der Unternehmenspraxis auf und gibt klare Handlungsempfehlungen“, lobt Prof. Dr. Dr. h.c. mult Péter Horváth. Der bisherige Forscher Bode wird künftig bei Horváth und Partners als Berater einsteigen. jf

 

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