Für SAP ERP on HANA fehlen die Business Cases

SAP BW on HANA rechnet sich wegen der Geschwindigkeit und dem Wegfall der Aggregate. Bei SAP ERP on HANA hingegen existieren nur wenige Business Cases, beklagt DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck.

„Um einen Business Case für SAP ERP aufzustellen, muss ich die Frage beantworten, was ich damit konkret in meinem Geschäft verbessern kann“. erklärt DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck die aktuelle Zurückhaltung der DSAG-Mitglieder beim Einsatz dieser Lösung. Quelle: DSAG

„Um einen Business Case für SAP ERP aufzustellen, muss ich die Frage beantworten, was ich damit konkret in meinem Geschäft verbessern kann“. erklärt DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck die aktuelle Zurückhaltung der DSAG-Mitglieder beim Einsatz dieser Lösung. Quelle: DSAG

Die SAP positioniert SAP HANA als Hebel der Systemkonsolidierung. Welche Varianten sind hier möglich?

Die erste Variante der Vereinfachung bieten die sogenannten Simple-Applikationen, etwa das im Mai vorgestellte SAP sFinancials. SAP HANA greift hier direkt auf die Daten zu. Die bisher aus Performancegründen nötigen Aggregate können entfallen. SAP konnte daher das Datenmodell der Applikation vereinfachen. Das werden sie nach und nach mit weiteren Applikationen tun.

 

Lässt sich mit SAP HANA auch die Zahl der SAP-Systeme reduzieren?

Ja, SAP HANA ermöglicht es, bisherige Satellitensysteme wieder in das Hauptsystem zu integrieren. Bei SAP Advanced Planning and Optimization sind die Walldorfer zumindest die Hälfte dieses Wegs gegangen. Sie haben das bisher extern laufende Modul wieder in das zentrale ERP-System integriert. Allerdings bestehen immer noch redundante Datenstrukturen. Diese muss die SAP in einem zweiten Schritt so vereinheitlichen, dass SAP APO direkt auf die Daten von SAP ERP zugreift.

 

Von einem Anwender haben wir erfahren, dass SAP HANA einen externen Applikationsserver braucht. SAP-Technologiechef Bernd Leukert bestreitet das, und Sie argumentieren, dass ein separater App-Server sinnvoll ist. Warum das?

SAP-Systeme werden in den meisten Unternehmen als eine Drei-Tier-Landschaft implementiert. Dabei gibt es eine strikte Trennung zwischen Datenbankserver und Applikationsserver. Ein Datenbankserver lässt sich als zentraler Server nicht beliebig duplizieren, und man erreicht eine höhere Performance bei CPU und Speicher, wenn man mit Applikationsservern arbeitet. Die Antwortzeiten verbessern sich, wenn die Applikationen auf einem separaten Server laufen. Ein weiterer Grund für diese Maßnahme ist die Ausfallsicherheit: Ein Applikationsserver lässt sich einfach vervielfältigen. Geht eine Instanz in die Knie, können sich die Anwender beim nächsten App-Server anmelden.

 

Wie sehen die Business Cases für SAP HANA aus?

Die meisten Business Cases gibt es bisher für SAP BW on HANA, Unternehmen setzen solche Systeme auf, um über den Wegfall von Aggregaten die Komplexität und den Administrationsaufwand zu reduzieren, um Performance zu gewinnen und um Frontends oder Mobil-Anwendungen zu beschleunigen, die ansonsten zu langsam und für die Nutzer unattraktiv wären.

 

Wie sieht es aus mit dem Einsatz von SAP HANA als Entwicklungsplattform?

Es gibt viele Beispiele, wie man Applikationen auf Basis von SAP HANA entwickeln kann. Unternehmen entwickeln auf Basis der In-Memory-Plattform innovative Geschäftsprozesse. Die Business Cases sind stark, sie lassen sich allerdings kaum übertragen. Ein prägnantes Beispiel ist die Mustererkennung in der Krebsforschung, die individuelle Behandlungen ermöglicht. Jede derartige Applikation ist völlig individuell, deshalb kann man keinen übertragbaren Business Case entwickeln.

 

Wie müsste hier ein Business Case für SAP ERP on HANA aussehen?

ERP-Systeme haben typischerweise standardisierte Geschäftsprozesse, und die werden nicht besser, wenn sie schneller laufen. Eine Ausnahme wären allenfalls Prozesse, in denen bisher das System zu langsam war. Um einen Business Case für SAP ERP aufzustellen, muss ich die Frage beantworten, was ich damit konkret in meinem Geschäft verbessern kann. Zum Beispiel den Lagerbestand reduzieren ohne meine Lieferfähigkeit zu gefährden. Oder Preisveränderungen bei den Rohstoffen schneller über den Preis des Endproduktes an die Kunden weitergeben. Oder – wie es die SAP selbst tut – den Geschäftsabschluss beschleunigen und Außenstände reduzieren, weil die Finanzabteilung besseren Insight auf die transaktionalen Daten hat. Insgesamt gibt es noch zu wenig Business Cases für SAP HANA on ERP.

 

Ist der Mangel an Business Cases der Grund dafür, dass bisher erst wenige DSAG-Mitglieder SAP ERP on HANA einsetzen?

Ja. Unsere aktuelle Umfrage zeigt, dass 5 Prozent der Befragten Projekte für SAP ERP on HANA haben und weitere 11 Prozent dies in der Zukunft planen. Diese Fälle werden wir uns als DSAG anschauen und versuchen, sie übertragbar zu machen. Nur Erfolgsbeispiele können Unternehmen überzeugen, in SAP ERP on HANA zu investieren.

 

Wie kommen die DSAG-Mitglieder mit den Lizenzbedingungen von SAP HANA klar? Ein Anwender hat uns erzählt, dass er SAP BW on HANA fährt, den Rest seiner SAP-Landschaft aber mit Oracle-Datenbanken betreibt. Nach der Umstellung auf die User-basierte Lizenzierung muss er nun sowohl für SAP HANA als auch für Oracle für sämtliche SAP-Anwender Lizenzen und Wartung bezahlen. Der einzige Ausweg aus dieser Doppellizenzierung wäre es, Oracle komplett durch SAP HANA zu ersetzen. Was sagt die DSAG dazu?

SAP HANA kann sowohl auf Basis der Größe des Hauptspeichers als auch über den sogenannten Software-Anwendungswert lizenziert werden. Wenn ein Unternehmen im letztgenannten Fall die Hälfte seiner SAP-Systeme mit SAP HANA betreibt, muss es auch nur für die Hälfte des Anwendungswerts SAP-HANA-Lizenzen bezahlen. Nun gibt es aber Oracle-Verträge die besagen, dass man deren Datenbank für sämtliche SAP-Anwender lizenzieren muss, auch wenn man nur die Hälfte der SAP-Module damit betreibt. Auch SAP HANA profitieren von der Oracle-Datenbank, so das Argument, weil diese ja möglicherweise die Daten generiert.

 

Und wie sieht nun eine mögliche Lösung aus?

Hier gibt es keine Pauschallösung, jeder Fall muss individuell betrachtet werden. Auf die SAP-HANA-Verträge kann die DSAG unter Umständen Einfluss nehmen. Nicht hingegen auf Oracle-Verträge. Hier haben wir es mit einem Anbieter zu tun, der sicher nicht davon begeistert ist, dass ein Unternehmen zusätzlich SAP HANA einsetzt.

 

Die aktuelle Preisliste der SAP sei nicht praxistauglich, kritisiert die DSAG. Woran hapert es? Was müsste sich ändern?

Die Preisliste ist deswegen nicht praxistauglich, weil kaum jemand die jüngsten Änderungen wirklich verstanden hat, auch wohl der SAP-Vertrieb nicht. Daher fordern wir, dass die SAP diese Komplexität zurückführt.

 

Glauben Sie, dass diese Komplexität Investitionen verhindert?

Nur zum Teil. Wenn ein Unternehmen ein Projekt plant, wird es immer ein Angebot bekommen. Will sich allerdings ein IT-Leiter selbst informieren, welche Produkte SAP im Angebot hat, und was die wohl kosten, kann er das nicht abschätzen. Ebenso wenig kann er nachvollziehen, wie der SAP-Vertrieb zu seinem Preis gekommen ist.

 

Wie sehen die Business Cases aus für eine Migration von SAP-Komponenten oder des ganzen ERP-Systems in die Cloud?

Unsere jüngste Umfrage hat ergeben, dass die Migration eines kompletten ERP-Systems in die Cloud für die Mehrheit unserer Mitglieder momentan kein Thema ist. In die Cloud verlagern die Unternehmen allenfalls Randapplikationen wie CRM, Travel Management oder Talent Management. Auch die Supply Chain bindet erste Anwender über die Ariba-Cloud an. Die Cloud-Verweigerer hingegen berufen sich auf Probleme mit Schnittstellen und Eigenentwicklungen und fürchten eine zu starke Abhängigkeit vom Dienstleister. Diese Blocker stellen die Cloud generell in Frage. Ein Business Case für die Cloud müsste von einem hybriden Szenario ausgehen und den Mehrwert untersuchen, den es bringt, wenn ein Unternehmen Teilbereiche seines ERP-Systems nicht selbst betreibt, sondern aus der Cloud bezieht.

 

Wie stark wirkt die Sicherheitsproblematik als Blocker?

Unterschiedlich. Manche Unternehmen sagen, dass für sie die Cloud gar nicht in Frage kommt, weil sämtliche Daten unternehmenskritisch sind. Bei einem fairen Vergleich müsste man einräumen, dass es Daten gibt, die in der Cloud kein Problem darstellen, etwa das Reisekostenmanagement oder das E-Procurement. Die Information, woher ein Unternehmen seine Bleistifte und Radiergummis bezieht, ist im Wettbewerb vollkommen unkritisch. Anders ist das bei den Lieferanten und Preisen für strategische Rohstoffe. Ein Unternehmen muss sich das vor dem Einstieg in die Cloud gut überlegen. Liegen die Daten erst mal dort, so muss man damit rechnen, dass sie über systematische Analysen von Geheimdiensten auch an die Mitbewerber gelangen können.

 

Hilft da keine Verschlüsselung?

Eher nicht. Bislang ist lediglich der Transportweg verschlüsselt, nicht hingegen die Daten selbst. Dafür bräuchte man Applikationen, welche die Daten verschlüsselt in der Cloud ablegen und sie beim Zugriff darauf wieder entschlüsseln. Im ERP-Umfeld kenne ich keine derartigen Applikationen. Sie bekämen wohl auch Probleme mit dem Systemmanagement und dem Load Balancing. jf

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