Exklusiv-Interview: SAP stattet S/4HANA mit Branchenfunktionen aus

Die ERP-Suite SAP S/4HANA wird die Funktionalität der Industrielösungen integrieren, berichtet Sven Denecken, Senior Vice President Product Management für SAP S/4HANA. Industriespezifische Roadmaps zeigen den Fortschritt auf.

„80 Prozent der Unternehmen bauen sich für SAP S/4HANA ein Side by Side-Szenario auf, um datentechnisch Stück für Stück in die neue SAP-Welt zu migrieren und damit Ihre Komplexität reduzieren“, berichtet Sven Denecken, Senior Vice President Product Management für SAP S/4HANA. „Neue Kunden werden wohl gleich mit SAP S/4HANA starten.“

„80 Prozent der Unternehmen bauen sich für SAP S/4HANA ein Side by Side-Szenario auf, um datentechnisch Stück für Stück in die neue SAP-Welt zu migrieren und damit Ihre Komplexität reduzieren“, berichtet Sven Denecken, Senior Vice President Product Management für SAP S/4HANA. „Neue Kunden werden wohl gleich mit SAP S/4HANA starten.“

Wann stehen die Industrielösungen für SAP S/4HANA bereit? Bernd Leukert hat auf der Sapphire erklärt, dass alle 25 Industrielösungen abgebildet würden, während Hasso Plattner im Februar davon gesprochen hat, dass anfangs erst eine Handvoll Industrielösungen dabei wären.

Bernd Leukert hat gesagt, dass S/4HANA in der On-Premise-Variante kompatibel mit allen 25 Industrielösungen ist. Es ist allerdings ein Unterschied, ob eine Industrielösung technisch mit SAP S/4HANA kompatibel läuft, oder ob deren Funktionalität teilweise oder komplett in SAP S/4HANA abgebildet wurde. Letzteres ist erst bei einem Teil der Industrielösungen der Fall. Mit dem gerade erschienenen Update 1511 von SAP S/4HANA gibt es auf dem SAP Service-Marktplatz industriespezifische Roadmaps, die aufzeigen, wann welche Lösung im Code auf SAP S/4HANA migriert wurde Aktuell sind das 12 von 25 Lösungen vollständig und weitere 7 mit umfangreicher Abdeckung.

Können Sie den Unterschied an einem Beispiel erläutern?

Die Automobilbranche und die diskrete Fertigung arbeiten mit einer 40-stelligen Materialnummer. Weil die Materialnummer im Kernsystem der SAP Business Suite lediglich 18 Stellen hat, werden die 40 Stellen in Branchen-Add-ons abgebildet. In SAP S/4HANA haben wir die 40 Stellen im Core abgebildet. Somit können Automobilhersteller und Fertiger damit direkt ihre Geschäftsprozesse steuern und brauchen das Add-On nicht mehr, und Unternehmen die bisher diese Funktion nicht nutzen konnten, weil sie das Add-on scheuten können es nun einsetzen. In SAP S/4HANA führen wir über die Zeit viele Funktionen in den Core zurück, die wir früher aus Performancegründen in Module wie Customer Relationship Management, Supplier Relationship Management oder Product Lifecycle Management ausgelagert haben.

Wann wird das Modul Simple Logistics veröffentlicht?

Das ist Teil des Updates 1511. Den Begriff ‚Simple‘ verwenden wir allerdings nicht mehr im Namen – wir lösen hier komplexe Probleme indem wir sie über SAP S/4 vereinfachen. Stattdessen heißen die Produkte jetzt SAP S/4Finance und SAP S/4Supply Chain. Auch den Begriff Logistik haben wir geändert, weil er nur in Deutschland eindeutig funktioniert und die Themen Material, Materialbewegung und Operations zusammenfasst. Stattdesen nutzen wir nun die international üblichen Begriffe der Fachabteilungen wie beispielsweise Manufacturing, Sales, Supply Chain, Asset Management und Research and Development.

Oracle behauptet, dass die Cloud-Lösungen Ariba, Concur, Fieldglass und SuccessFactors mit Oracle-Datenbanken laufen. Bis wann wird sich das ändern?

Die Umstellung läuft bereits, und sie umfasst nicht nur die Datenbank, sondern auch das Benutzer-Interface SAP Fiori. Die analytischen Komponenten laufen schon auf SAP HANA, der Rest folgt nach und nach. SAP Fiori ist uns deshalb wichtig, weil die Bedienung von SAP S/4HANA und der Cloud-Module möglichst identisch ausfallen soll.

Mitglieder der SAP-Benutzervereinigung DSAG wollen die Aussage, dass mit SAP S/4HANA alles einfacher und schneller läuft, in konkrete Business Cases übersetzt sehen, und sie fragen zudem nach Musterlösungen etwa für Logistik und Produktion. Wann bietet SAP so etwas an?

Derartige Musterlösungen sind Teil des S/4HANA-Updates 1511. Wir haben darin Anwendungsfälle über die gesamte Suite weg definiert, die wir S/4Enterprise Management nennen. Zu jedem dieser Anwendungsfälle gibt es online als Einstieg kostenfreie SAP-Kurse, wo wir den geschäftlichen Mehrwert und die technische Umsetzung im Detail darstellen.

DSAG-Mitglieder fragen nach Services, mit denen sie den Aufwand einer Migration auf SAP S/4HANA im Detail abschätzen und im Idealfall automatisieren können. Bietet SAP derartige Services?

Ja, und zwar ebenfalls als Teil von SAP S/4HANA Update 1511. Wir bieten die Möglichkeit, sämtliche Veränderungen, die wir in SAP S/4HANA gemacht haben, über das SAP Netweaver Code Check Tool auf Basis seines aktuellen Systems zu analysieren. Und zwar nicht nur den Systemstandard, sondern auch den Custom Code. Nach dieser Prüfung weiß der Kunde, welche Funktionen genauso laufen werden, wie vorher, und für welche Funktionen er sein System anpassen muss. Und er erhält Hinweise, wo es sinnvoll wäre, Hand anzulegen. Beispielsweise bei Anpassungen, die er gar nicht mehr nutzt, oder auch bei Anpassungen, für die es inzwischen im Systemstandard bessere Lösungen gibt.

Glauben Sie, dass Kunden ihr System anhand dieser Anleitungen wieder stärker in den Systemstandard zurückführen?

Davon gehen wir aus, und das ist unser gemeinsames Ziel. Bei den Enhancement Packages, die wir ja weiterhin anbieten, haben wir gesehen, dass viele Unternehmen diese rein technisch implementiert haben ohne auf die Funktionalität zu schauen. Das ändert sich gerade. Anwender, die auf SAP S/4HANA migrieren, sehen, dass diese Migration einen guten Zeitpunkt darstellt, das Customizing aus der Vergangenheit zu überprüfen. Die Administratoren schauen genau hin, welche der alten Workarounds sie heute wirklich noch brauchen. Je näher sie an den Standard herangehen, desto schlanker wird ihr System. Die Details der neuen Funktionalität beschreiben wir in der Simplifikations-Datenbank.

SAP S/4 Finance nutzt ein einheitliches Datenmodell, bei dem es keine unterschiedlichen Buchungen mehr für Accounting und Controlling geben wird. Um diese Funktionalität nutzen zu können, müssen die Unternehmen das dahinter liegende System vereinheitlichen. Hat SAP auch dafür Musterlösungen?

Ja, wir haben sowohl vorkonfigurierte Lösungen als auch Werkzeuge zur Implementierung und wir geben darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen. Die Werkzeuge dafür haben wir bereits anlässlich des Umstiegs vom alten auf das neue Hauptbuch erstellt, also vom General Ledger zum New General Ledger. Kunden, die das New General Ledger bereits eingeführt haben, können an jedem Monatsende auf SAP S/4HANA umsteigen. Wer noch mit dem alten Hauptbuch arbeitet, der wird eine derartige Migration wohl eher zum Jahresende machen. Prinzipiell kann der Kunde auf SAP S/4 Finance mit den alten Transaktionen und Verfahren weiterarbeiten, solange er das möchte. Aber das werden wohl eher wenige Kunden tun, denn sie migrieren ja auf SAP S/4 Finance, um ihre Monats- oder Jahresabschlüsse künftig schneller erstellen zu können.

Betrachten die Anwender nach Ihrer Beobachtung SAP S/4Finance als Startpunkt für die Migration auf SAP S/4HANA?

Ja, denn sie erkennen, dass sie über das Finanzwesen die Veränderungen in ihrem Unternehmen effektiv steuern können. Es geht ja nicht nur um die Optimierung der Abschlüsse, sondern auch darum, dass schneller verfügbare Kennzahlen den anderen Fachabteilungen neue Impulse geben. Auch die Anwendung SAP Digital Boardroom nutzt SAP S/4Finance. Der Drilldown vom Monats- oder Jahresabschluss auf die einzelne Rechnung erfordert das für SAP HANA vereinfachte Datenmodell.

Laut Aussage von Rob Enslin im Juli waren sämtliche damaligen Projekte für SAP S/4HANA Inhouse-Implementierungen. Sollte nicht SAP S/4HANA ein Vehikel werden, um mehr Anwender in die Cloud zu bringen?

Zunächst Mal ist SAP S/4HANA nicht als Vehikel zu sehen, um SAP-Anwender in die Cloud zu bringen, sondern es bietet diese Option. Der Kunden entscheidet selbst, ob er eine On-Premise-Implementierung oder eine Cloud-Lösung favorisiert, und er kann auch seine On-Premise-Lösung ins Hosting oder in eine Private Cloud geben. Diese Option erhalten wir solange wie möglich, denn sie ist Realität im Markt. Wir glauben allerdings, dass dank der Simplifizierung von SAP S/4HANA der Appetit auf Cloud-basierte Software as a Service-Lösungen zunimmt. Weil wir das stärkere Wachstum in der Cloud erwarten, entwickeln wir Cloud first. In der Cloud gibt es jedes Quartal ein Update, bei den On-Premise-Lösungen alle 9 bis 12 Monate. Nach und nach bekommen auch die On-Preise-Lösungen viele Qualitäten, die Cloud-Module längst haben, beispielsweise Konfiguration statt Customizing. Und wir haben die Cloud Platform als Erweiterungsmethodologie. Unser Ziel ist es, dass die Unternehmen den Kern von SAP S/4HANA möglichst stabil halten und Erweiterungen oder Anpassungen eher auf der SAP HANA Cloud Platform entwickeln.

US-Analyst Vinnie Mirchandani warnt davor, dass Migrationen auf SAP S/4HANA stark vom Können der Partner abhängen. In der Vergangenheit hätten neue SAP-Produkte stets zu höheren Preisen für Services und zu Kostenüberschreitungen bei Projekten geführt. Wie hilft die SAP, derartige Pannen zu vermeiden?

Über die Hälfte aller Projekte für SAP S/4HANA haben SAP-Partner durchgeführt, welche die Lösung vorher auch verkauft haben. SAP investiert intensiv in eine Implementierungsmethodologie namens SAP Activate, die Best Practices, Konfiguration und Content zusammenführt. Die bereits beschriebenen Werkzeuge zeigen den Anwendern vorab im Detail, was sich bei der Migration auf SAP HANA und SAP Fiori an ihrem System ändert und speichern diese Änderungen auch in einem Life Cycle Management. Damit lernen auch die Partner und fangen beim nächsten Projekt oder beim nächsten Update nicht wieder von vorne an.

Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis es zu einem Break Even zwischen der SAP Business Suite und SAP S/4HANA kommt?

Wir haben dazu keine festgelegte Planung, aber wir sind positiv gestimmt. Bei der Produktvorstellung im Februar sind wir ja auch von niedrigeren Zahlen ausgegangen als wir sie jetzt sehen. Generell wird die Migration auf SAP S/4HANA wohl in Schritten vor sich gehen. Wir beobachten gerade, dass 80 Prozent der Unternehmen sich für SAP S/4HANA ein Side by Side-Szenario aufbauen. Sie wollen datentechnisch Stück für Stück in die neue SAP-Welt migrieren und damit Ihre Komplexität reduzieren. Neue Kunden werden wohl gleich mit SAP S/4HANA starten. jf

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