Durch Qualität und Kontext gewinnen Daten an Wert

Exklusiv-Interview

Patrick Hübgen, Senior BI Solution Architect bei Information Builders erläutert den Nutzen und die Hürden beim Stammdatenmanagement. Technologie reicht Unternehmen nicht, sie brauchen eine Datenkultur.

Datengetriebene Geschäftsmodelle liegen im Trend. Reicht nach Ihren Erfahrungen die Qualität der Stammdaten in deutschen Unternehmen dafür aus?

Datengetriebene Geschäftsmodelle sind weit mehr als ein Trend. Sie werden für Unternehmen unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die vorhandene Qualität der Stammdaten reicht dafür in vielen Fällen allerdings noch nicht aus. Im Bankensektor etwa drängen immer mehr branchenfremde Unternehmen ins klassische Bankgeschäft. Zum einen bauen die Fintechs ihr Geschäftsmodell grundlegend auf Daten auf, zum anderen zeigen etablierte Unternehmen aus fremden Branchen immer mehr Interesse an den Daten der Bankkunden.

Einige neue Player etablieren sich gezielt in ertragsreichen Geschäftsbereichen wie Wertpapierhandel, andere fokussieren sich auf das Sammeln von Transaktionsdaten via App oder Cloud und versuchen, die daraus gewonnenen Daten zu monetarisieren. Unternehmen, die den Kontakt zum Kunden verlieren, könnten das Nachsehen haben. Erfolgreiche Unternehmen im Bankensektor steuern ihr Handeln als auch ihre Ansprache der Kunden auf Basis von Daten. Vergleichbare Herausforderungen und Chancen gibt es in allen Branchen unabhängig von der Unternehmensgröße.

Patrick Hübgen ist seit 15 Jahren Senior BI Solution Architect bei Information Builders. Er berät Unternehmen in Sachen Business Intelligence und Datenmanagement.
Quelle: Information Builders

In welchen Bereichen hakt es am meisten und welche Folgen haben diese Datenfehler?

Unserer Erfahrung nach lassen sich die Probleme schwer an einzelnen Bereichen festmachen. Sie existieren unternehmens- und systemübergreifend, und die Folgen sind unterschiedlich. Erstes Beispiel: Ein Unternehmen plant eine zielgruppenorientierte Marketingaktion und sendet unpassende, doppelte oder falsche E-Mails und Postsendungen. Die Verantwortlichen haben viel in die Kampagne investiert, aber die Datengrundlage vernachlässigt. Oder ein Kunde ruft mehrfach die Hotline eines Unternehmens an und landet bei verschiedenen Ansprechpartnern, die keinen Überblick über die komplette Kundenbeziehung haben, sondern nur ihre jeweilige Dateninsel kennen. In beiden Fällen sind Prozesse sind sowohl für das Unternehmen als auch für den Kunden ineffektiv und unbefriedigend.

Wo liegen die Hauptursachen für schlechte Datenqualität?

In vielen Unternehmen sehen wir Datensilos. Das Problem dabei: die Daten sind über verschiedene Systeme verteilt, nicht nachhaltig qualitätsgesichert und lassen sich auch nicht miteinander kombinieren. Weitere Ursache sind das fehlende Bewusstsein im Management für die Kosten und die Auswirkung schlechter Datenqualität sowie die mangelnde Einbeziehung der Nutzer, welche die fachliche Hoheit über die Daten haben sollten. Manche Unternehmen versuchen, in reinen IT-Projekten Datenqualitätsprobleme mit einem Data-Warehouse oder in einzelnen Applikationen zu lösen. Solche Aktionen scheitern oft, da sie nicht nachhaltig sind. Datenqualität muss über Kennzahlen allen Beteiligten transparent gemacht werden. Insellösungen sind auf dem Weg zum datengetriebenen Unternehmen Einbahnstraßen ins Datenchaos.

Welche Gegenmaßnahmen empfehlen Sie auf technischer Seite?

Zunächst einmal raten wir Unternehmen, das Thema Datenqualität nicht nur technisch zu betrachten. Nötig ist vielmehr eine umfassende Datenmanagementplattform, die Datenintegration, Datenqualität sowie Stammdatenmanagement umfasst und bei Bedarf auch eine Visualisierung ermöglicht. Technologie alleine reicht nicht. Erfolgreiche Projekte zur Datenqualität nehmen ihren Anfang in den Fachabteilungen. Die Mitarbeiter dort kennen die Schwachpunkte, sie wissen, was schiefläuft und warum das so ist. Ist geklärt, welche Daten problematisch sind und wie diese aussehen sollen, geht es um die Prozesse und Verfahren zur Bereinigung. Dazu benötigt die Fachabteilung die technische Unterstützung der IT-Abteilung. Sie sollte über leistungsfähige Bereinigungs-Tools verfügen und Maßnahmen für eine kontinuierliche Überwachung der Datenqualität etablieren.

Welchen organisatorischen Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen?

Zunächst einmal ist es von zentraler Bedeutung, ein Bewusstsein für die vorhandenen Datenqualitäts- und Datenmanagementprobleme zu schaffen sowie die Risiken, die Kosten und den Nutzen der Behebung aufzuzeigen. Es geht nicht nur darum, die Daten zu reparieren, sondern sie zu einer umfassenden Sicht zum Beispiel auf den Kunden zusammenzuführen. Daten gewinnen durch ihre Qualität und ihren Kontext an Wert.

Sollten sich die Fachabteilungen um die Daten kümmern, die etwas von den Inhalten verstehen, oder lieber ein Qualitätsbeauftragter, der Regeln für die Date Governance etabliert?

Die Mitarbeiter aus den Fachabteilungen und vor allem die Data Stewards sind erfolgsentscheidend. Der Data Steward aus einer Fachabteilung und kennt daher Abläufe und Herausforderungen bei der Erstellung und Verwendung von Daten in den fachspezifischen Geschäftsprozessen. Er stellt Regeln auf, wie Daten erzeugt, gewartet und verwendet werden. Zu seinen Aufgaben zählen auch kontinuierliche Überwachung und Einhaltung der Datenintegrität und die Anpassung der Qualitätsverfahren.

Wie sehen Erfolgskriterien aus, um eine Verbesserung oder Verschlechterung der Datenqualität nachzuweisen?

Ein effizientes Datenmanagement und eine hohe Datenqualität bedeutet nicht, dass alle Daten in den Geschäftsprozessen zu jeder Zeit fehlerfrei sein müssen. Vor einer Kostenbetrachtung der Maßnahmen für die Datenbereinigung beziehungsweise der laufenden Kontrollen sollte der Data Steward ermitteln, wie und wo die Daten genutzt werden und welche Kosten die Fehler verursachen. In einigen Fällen kann eine zuvor festgelegte Fehlerrate akzeptabel sein. Die Datenqualität ist dann gut genug. In unternehmenskritischen Prozessen, bei denen fehlerhafte Daten hohe Kosten nach sich ziehen, muss die Messlatte sehr hoch liegen. Wichtig ist es, die Datenqualität, zu messen, mit Kennzahlen zu versehen und diese transparent zu machen. Jeder Mitarbeiter muss den Status der Datenqualität sehen und erkennen, was diese Kennzahlen beeinflusst.

Wie stellen Unternehmen sicher, dass sich eine einmal hergestellte Datenqualität nicht rapide wieder verschlechtert?

Damit die Datenqualität nicht nur in nachgelagerten Systemen verbessert wird, ist es wichtig auch die Daten erzeugenden operativen Systeme mit einzubeziehen. Datenfehler müssen nicht nur im CRM-System oder im Data Warehouse eliminiert werden. Im nächsten Schritt sollten diese Verbesserungen an die Quelle der Daten zurückliefert werden. Im idealen Fall greifen die Qualitätsregeln bereits bei der Dateneingabe.

Wann wird der Data Steward aktiv?

Die hohe Datenqualität ist eine Voraussetzung effizienter Geschäftsprozesse und muss sich in einem ersten Schritt in den einzelnen Fachabteilungen bewähren. Im nächsten Schritt startet der Data Steward, unterstützt durch die Geschäftsleitung, abteilungsübergreifende und schließlich unternehmensweite Projekte. Erfolgversprechend ist dies nur, wenn er die Datenqualität anhand klar definierter Kriterien misst, sie überwacht und eine fortlaufende Verbesserung sicherstellt. Gleichzeitig sollten Unternehmen eine Datenkultur entwickeln. Eine hohe Datenqualität ist Sache aller Mitarbeiter und eine Aufgabe, die mit der Zeit und dem Reifegrad der Datenmanagement-Plattform einfacher, aber nie komplett beendet sein wird.      jf

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