Digitaler Arbeitsplatz sichert die Wettbewerbsfähigkeit

Der Büroarbeitsplatz durchlief über die letzten Jahrzehnte einen rasanten Wandel. Nun aber bläst die Industrie unter dem Schlagwort Digital Workplace zu einer neuen Innovationsinitiative, die einschneidende Veränderungen mit sich bringt. Eine Expertenrunde diskutiert Chancen und Risiken für Unternehmen.

Von Wolfgang Miedel
Sorgte 1965 IBM noch mit seiner revolutionären Kugelkopfschreibmaschine 72 für Furore, so folgten darauf im schnellen Wechsel unzählige Technologien, mit denen die Automatisierung vorangetrieben und die Möglichkeiten der Anwender laufend ausgeweitet wurden. Nach einem starken Boom kühlte die Euphorie hingegen mit der Social-Collaboration-Welle der letzten Jahre merklich ab. Viele IT- und Geschäftslenker blickten mehr auf Risiken, wie Ablenkung von der Arbeit, denn auf Chancen wie Effizienzsteigerung durch bessere Zusammenarbeit.

Expertenrunde Digital Workplace: Annette Rust (Avanade), Marc Hoffer (Avepoint), Matthias Sommermann (Datev), Tolga Erdogan (Dimension Data), Axel Oppermann (Avispador) und als Anwender Stefan Fichtl (SFS Steuerberatungsgesellschaft) – moderiert von den beiden IT-Journalisten Christoph Witte und Wolfgang Miedl. Foto: Miedl/Witte

Nun aber bläst die Industrie unter dem Schlagwort Digital Workplace zu einer neuen Innovationsinitiative, die einschneidende Veränderungen verspricht, wie Analyst Axel Oppermann im Eröffnungsvortrag erklärte: „Die Integration von mobilem Internet und Cloud revolutioniert die Art, wie Mitarbeiter zusammenarbeiten. Das wirkt sich nun auf alle Berufsgruppen aus und bildet den Schlüsselbaustein für das künftige Arbeitsmodell. Damit steht und fällt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen in allen Branchen.“

Auslaufmodell Intranet und Unified Communications

Zunächst einmal beschäftigte sich die geladene Expertenrunde mit einer Begriffsbestimmung. Weitegehend einig war man sich darüber, dass Digital Workplace für ein ganzheitliches Arbeitsplatzmodell steht, das die klassischen Software- und Hardwarekategorien überwindet. Vorbei seien die Zeiten von Intranet sowie Unified Communication and Collaboration (UCC), hieß es. Zum einen wollen die Anwender nicht mehr mit Informationen aus Portalen überhäuft werden und erwarten flexibleren, ortsunabhängigen Zugriff. Zum anderen gelten Chat, Voice, Video und Telefonanlagen-Integration inzwischen als Commodity.

Für Annette Rust, Digital Strategy Lead bei Avanade, definiert sich der Digital Workplace durch das Zusammenführen von Informationen und Zusammenarbeit in einem intelligenten Kontext und der Rolle des Mitarbeiters. Anwender sollen dabei abhängig von ihrem Profil an jedem Ort die relevanten Funktionen und Daten erhalten. Wie das in der Praxis aussehen kann, schilderte sie anhand der Arbeitsumgebung bei einem Rückversicherer: „Früher benötigte der Underwriter für die Risikobewertung einer japanischen Fabrik lediglich sein Underwriting-Tool. Heute benötigt er dafür Input aus diversen Datenquellen wie Klima, Vergleichszahlen anderer Unternehmen sowie eine integrierte Kommunikation mit dem Client-Manager – alles in einer einheitlichen Umgebung.“

Virtual Reality und Augmented Reality als Vision

Dass das nicht der Endpunkt der Entwicklung ist, unterstrich anschließend Tolga Erdogan, Director Solutions & Consulting bei Dimension Data. Er prognostizierte als nächste Schritte das Zusammenwachsen von klassischen Arbeitsplatz-Umgebungen mit dem Internet der Dinge, Virtual Reality und Augmented Reality: „Die VR-Brille Oculus ist für mich die Vision des komplett digitalisierten Arbeitsplatzes. Um solche Themen wird Enthusiasmus entstehen, während das Interesse für Collaboration-Tools zurückgehen wird.

Etwas pragmatischer sieht Matthias Sommermann, Leiter Cloud-Lösungen bei der Datev, die Entwicklung: „In unserem Kundenumfeld sind konkrete Lösungen für die Automatisierung zeitraubender Arbeitsprozesse rund um Zahlungsverkehr, Geschäftssteuerung und Belegwesen gefragt. Außerdem geht es um medienbruchfreie Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Steuerberatern.“

Wie eine solche Automatisierung im Datev-Kundenumfeld aussehen kann, schilderte Stefan Fichtl, Gründer der SFS Steuerberatungsgesellschaft: „Dank intelligenter Verknüpfung diverser Datenquellen stehen uns heute diverse Frühwarnfunktionen zur Verfügung, die mir auf einem Bildschirm per Ampelsignal den Status mehrerer Hundert Mandanten darstellen. Und bei einem Mandanten aus der Gastronomie können wir heute beispielsweise die Umsatzzahlen ihn Bezug zu den Wetterdaten setzen, um die Plausibilität seiner Geschäftszahlen zu kontrollieren.“

Alles muss raus – oder alles integrieren?

Wie Unternehmen Workplace-Konzepte umsetzten, war ein weiterer interessanter Diskussionspunkt. Startet man auf der sprichwörtlichen grünen Wiese, oder müssen sich neue Arbeitsplatzlösungen in bestehende Infrastrukturen eingliedern? Marc Hoffer, Leiter Enterprise Sales bei Avepoint, konstatiert große Hürden, die einen Neuanfang erschweren: „In vielen Kundenumgebungen finden wir tief in die Prozesse verankerte Bestandssysteme wie Lotus Notes. So etwas migriert man nicht mal schnell, dafür braucht es eine schlüssige Integrationsstrategie.“ Oppermann hingegen plädierte für einen Start auf der grünen Wiese: „Manchmal muss man alte Zöpfe einfach abschneiden. Denn oft wird an überkommenen Dingen aus nostalgischen Gründen festgehalten.“

Workplace-Einführung mit oder gegen die Schatten-IT

Breiten Raum nahm in der Runde der Themenkomplex Cloud und Schatten-IT ein. Die Cloud gilt allen Experten als ideale Basis für die Einführung des Digital Workplace. „Workplace-Plattformen in der Cloud erleichtern das Auslagern neuer Services und entlasten die Unternehmen von Aufwänden für Infrastruktur und Betrieb“, sagte Avanade-Managerin Rust.

Für die IT-Organisationen bedeutet das, dass sie sich umorientieren müssen. Wenn die Budgets für IT-Dienste in die Geschäftsbereiche fließen, ist es an der Zeit, die eigene Rolle und die Aufgabenfelder neu zu definieren. Andernfalls wandern die Nutzer einfach in die Schatten-IT ab, warnte Dimension-Data-Manger Erdogan: „Wenn die IT nicht schnell genug ist und zeitgemäße Dienste aufsetzt, wechseln die Anwender auf allgegenwärtige Dienste wie Dropbox. Da hilft auch kein Blockieren übers Netzwerk, weil dann einfach über Mobilgeräte ausgewichen wird.“

Der Datev-Manager Sommermann hielt solche Szenarien für bedenklich und warnte davor, dass sie die Cloud-Akzeptanz mindern könnten. „Wir brauchen solide Geschäftsmodelle für Cloud-Lösungen, dann lassen sich auch solche Sicherheitsfragen umfassend lösen.“
Hoffer von Avepoint ergänzte, dass vor allem die Akzeptanz der Anwender über den Erfolg neuer Workplace-Konzepte entscheidet und auch dem Drang zur Schatten-IT entgegenwirkt. Das heißt vor allem, die Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie sind: „Wenn die User heute Dokumente per Attachment verschicken, dann sollte man das nicht verbieten, sondern diese etablierte Arbeitsgewohnheit unterstützen. Beispielsweise per intelligenter Software-Automatik im Hintergrund, die ein Attachement durch einen Dokumentenlink ersetzen, so dass die Daten im geschützten Unternehmenskontext bleiben.“

Fazit

Am Ende griff die Gesprächsrunde auch noch das Thema Automatisierung und die möglichen Folgen für die Arbeitswelt auf. Oppermann wies in dem Zusammenhang auf fundamental veränderte Methoden der Softwareentwicklung hin, die sich auch massiv auf die Unternehmens-IT auswirken: „Hersteller entwickeln Software heute viel schneller als noch vor fünf Jahren, so dass es nicht mehr ausreicht, Projekte in den üblichen Dreijahreszyklen zu planen.“ Die zunehmende Automatisierung werde sich im Übrigen auch auf die Büroarbeit auswirken, weil selbstlernende Algorithmen zukünftig auch typische Dienstleistungsaufgaben wie die Auftragsabwicklung oder die Behandlung von Servicefällen vollständig automatisieren könnten.
Ein weiter Bogen also von der Dokumentenverwaltung in der Cloud über Anwender-zentrische Konzepte bis zur Auslagerung des Arbeitsplatzes in virtuelle Welten – das Thema Digital Workplace hat das Zeug, uns in den nächsten Jahren intensiv zu beschäftigen. Wolfgang Miedl vom Redaktionsbüro Miedl/hei

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