Die Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor für Fusionen

Abseits aller Produkte ist die Unternehmenskultur ein wichtiger Faktor bei einer Fusion oder Übernahme. Eine zu schnelle Verschmelzung gefährdet den Erfolg, argumentieren Matthias Thurner und Alexander Springer von Unit4.

Als Gründer von Prevero und waren Sie dort 22 Jahre lang tätig. Wie fühlt sich der Zusammenschluss mit Unit4 nach zwei Jahren an? Mussten Sie im neuen Unternehmen irgendwo loslassen?

Matthias Thurner: Ich fühle mich sehr wohl in der neuen Position. Mir war klar, dass eine Übernahme immer ein gewisses Risiko birgt. In diesem Fall hat alles gut geklappt. An manchen Stellen habe ich Dinge abgegeben, etwa die Bereiche IT und Finance, für die ich bei Prevero verantwortlich war. Unit4 steuert das über die Corporate Funktionen. So habe ich mehr Zeit für Produktentwicklung und Produktmanagement.

Was waren die Erwartungen beim Zusammenschluss von Unit4 und Prevero?

Alexander Springer: Für Prevero war es interessant, stärker international aktiv zu werden. Das hat gut funktioniert. Wir haben 2017 eine ganze Reihe von Kunden in Europa,Nordamerika, Asien und Australien nur deshalb gewonnen, weil wir Teil von Unit4 sind. Außerdem suchten wir das Potenzial, in die Unit4 Kundenbasis hinein zu verkaufen. Auch das war sehr erfolgreich. Aktuell bekommt Prevero jede Woche Kunden aus dem Unit4-Umfeld. Entweder ein Bestandskunden oder einen Neukunden, wo Prevero Teil des verkauften Pakets ist.

Matthias Thurner: Ein weiterer Punkt war die Cloudifizierung. Unser Produkt ist dafür technologisch bereit, aber in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden vor zwei Jahren noch eher wenig Cloud-Produkte nachgefragt. International war der Cloud-Verkauf damals leichter. Heute trifft die Cloud auch in Deutschland auf starkes Interesse. Nicht zuletzt ging es bei der Übernahme darum, die Ressourcen für die Produktentwicklung auszubauen, um Innovation viel schneller auf den Markt zu bringen. In allen Punkten sind wir positiv überrascht worden.

Matthias Thurner (links) ist Mitgründer von Prevero und heute CTO von Unit4 Prevero. Alexander Springer ist ebenfalls Mitgründer von Prevero und bei Unit4 verantwortlich für das globale Geschäft der Lösungen für Corporate Performance Management und Business Intelligence.

Was hat denn nicht so gut oder gar nicht geklappt?

Alexander Springer: Ich kann nichts erkennen, was gar nicht geklappt hat. Allenfalls kleinere Hürden: vor der Übernahme war manch eine Freigabe innerhalb von fünf Minuten erledigt. In einem größeren Unternehmen müssen wir uns heute mit einem viel größeren Kreis abstimmen, und das geht auf Kosten der Geschwindigkeit.

Wie profitieren die Unit4-Kunden von Prevero und umgekehrt?

Alexander Springer: Unit4-Kunden profitieren von einem kompletten Spektrum in Sachen Corporate Performance Management und Business Intelligence, was sie vorher so in der Art nicht hatten. Sämtliche CPM- und Business-Intelligence-Module sind eng mit den Basissystemen von Unit4 integriert. Die Kunden von Prevero profitieren davon, dass wir die Geschwindigkeit bei der Produktentwicklung gesteigert haben und sie schneller mit Innovationen und neuen Funktionen versorgen.

Matthias Thurner: Durch die vertikale Fokussierung von Unit 4 profitieren Prevero-Kunden in Zielbranchen wie Professional Services, Higher Education, Not for Profit oder Public Services zusätzlich von dem breiten Produktangebot von Unit4. Unit4 hat einige sehr interessante Branchenlösungen im Portfolio, die auch in einem SAP-dominierten Markt wie Deutschland auf Interesse stoßen.

Wollen Sie künftig die Produkte von Unit 4 und Prevero enger als bisher miteinander verknüpfen?

Matthias Thurner: Die Integration ist bereits weitgehend umgesetzt, aber nicht so, dass Prevero-Lösungen ohne Unit4 nicht mehr laufen. Prevero wird als Standalone-Produkt für Corporate Performance Management, BI und Analytics bestehen bleiben und auch weiterentwickelt. Wo wir Synergien haben, werden wir sie nutzen. So haben beispielsweise Unit4-Anwender die digitale Assistentin Wanda, die sie bei Reisekostenabrechnungen oder bei Freigabeprozessen unterstützt. Wie werden Wanda dieses Jahr auch mit Prevero verbinden. Anwender können dann mit Ihrem Prevero System sprechen. Unit4-Produkte wiederum profitieren von den CPM Angeboten und der In-Memory-Technologie, die Prevero, in die Hochzeit eingebracht hat.

Jenseits der Produkte entscheidet sich der Erfolg einer Fusion dadurch, wie die Kulturen und die Mitarbeiter der beiden Unternehmen zusammenpassen. Wie nahe sind sich Prevero und Unit4 hier?

Matthias Thurner: Die Kulturen sind sich an vielen Stellen sehr nahe. Unit4 ist getragen von einer zielorientierten und respektvollen gemeinsamen Arbeit an der Zukunft des Unternehmens. Das passt das hervorragend zu den Werten von Prevero. Als Ausgleich dazu, dass manche Prozesse ein bisschen langsamer geworden sind, bringt Prevero als agiles Unternehmen an einigen Stellen mehr Schwung bei Unit4 rein.

Firmenübernahmen sind nicht immer eine Erfolgsgeschichte. So ist beispielsweise die Übernahme von Winterheller durch Prevero im Jahr 2011 hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Was war der Grund dafür, und was haben Sie diesmal anders gemacht?

Matthias Thurner: Auch wenn die Übernahme von Winterheller unterm Strich ein Erfolg war, haben sich bei weitem nicht alle Potenziale umsetzen lassen. Hauptgrund dafür war, dass die Kulturen beider Unternehmen weit auseinander lagen, und dass wir viel zu schnell versucht haben, Winterheller komplett in Prevero zu integrieren. Das hat viele Mitarbeiter überfordert. Diesen Fehler hat Prevero schon bei der Übernahme von MIK korrigiert, die deutlich besser geklappt hat. Unit 4 hat nicht versucht, Prevero von heute auf morgen zu integrieren. Die Integration passiert vorausschauend und nur dort, wo sie sinnvoll ist, wie etwa im Bereich Finance.

Haben Sie eine grundsätzliche Empfehlung für andere, welche Überlegungen angestellt werden sollten, bevor man zwei Unternehmen zusammenführt?

Alexander Springer: Das Management sollte bei einer Fusion auf die Kulturen achten und nicht versuchen, gleich alle Systeme, Grundsätze und Strukturen sofort zu verschmelzen. Ein solches Vorgehen kann leicht Motivationen zerstören. Stattdessen sollten die Mitarbeiter der beiden Unternehmen Zeit bekommen, sich kennenzulernen und das gemeinsame Potenzial zu erkennen. Diese Zeit ist wichtig. Idealerweise sollte man die alten Strukturen erst einmal zwei Jahre lang weiterlaufen lassen und dann erst bei der Integration mit dem Backoffice anfangen. Auf keinen Fall mit dem Hammer draufschlagen, so dass das übernommene Unternehmen keine Luft mehr bekommt.

Jürgen Frisch

Kommentare sind deaktiviert