Die Cloud als Modernisierungstreiber für ERP

Die Digitalisierung dürfte bei betriebswirtschaftlicher Software (ERP) künftig für Wachstum sorgen. Das zeigt eine Studie von SoftSelect. Die frühere Skepsis gegenüber der Cloud haben viele Unternehmen demnach aus Kostengründen aufgegeben.

Als digitales Abbild von Transaktionen, Waren, Werten und Prozessen fungieren ERP-Systeme als ein zentrales Stellrad für die unternehmerische Wertschöpfung. Trends wie Big Data Analytik, Cognitive Process Automation, Künstliche Intelligenz oder die Verschmelzung von Produktion und IT befeuern den digitalen Wandel und erleichtern die Etablierung digital unterstützter Geschäftsmodelle. Das zeigt die Studie ERP Software 2020 von SoftSelect. Das Hamburger Marktforschungs- und Beratungshaus hat hierfür insgesamt 121 ERP-Lösungen unter die Lupe genommen.

„Die immer noch latent spürbare Skepsis gegenüber Cloud-Lösungen und der Verarbeitung von Daten außerhalb der Unternehmensgrenzen ist in den vergangenen Jahren spürbar rückläufig“, berichtet SoftSelect Geschäftsführer Michael Gottwald. „Bei Softwareauswahlprojekten verzeichnen wir eine deutliche Zunahme der Cloud-Fähigkeit als Kernanforderung.“ Quelle: SoftSelect

Die Corona Pandemie bremst das Marktwachstum aus

Der Umsatz mit ERP-Software in Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Lag der hiesige ERP-Umsatz 2016 laut Statista noch bei rund 1,71 Milliarden Euro lag, wurde 2019 ein Umsatz von rund 1,88 Milliarden Euro erzielt. Bis 2021 soll der Umsatz mit ERP-Lösungen auf 1,99 Milliarden Euro ansteigen. Allerdings haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch die Business Software Branche getroffen. Laut einer n Bitkom Befragung spüren 41 Prozent der deutschen Software Anbieter Auswirkungen im Neu- und Bestandskundengeschäft. Die überwiegende Mehrheit (60 Prozent) rechnet mit mindestens sechs Monaten bis zur Normalisierung des Neukundengeschäftes. Der Corona-bedingte Umsatzrückgang könnte damit 2021 teilweise wieder aufgeholt werden.

Cloud-Fähigkeit wird zur Kernanforderung

Das bei Business Software zu erwartende Wachstum kommt durch die Digitalisierung. Beim digitalen Reifegrad hat die Pandemie deutliche Defizite zutage gefördert. Die Corona-Krise hat Unternehmen vor Augen geführt, wo es in Sachen Digitalisierung, IT-Sicherheit und Collaboration mangelt. Wer bereits seine ERP-Software und andere IT-Systeme über die Cloud bezieht, hatte weniger Einschränkungen in seinem Arbeitsumfeld zu erleiden. „Die immer noch latent spürbare Skepsis gegenüber Cloud-Lösungen und der Verarbeitung von Daten außerhalb der Unternehmensgrenzen ist in den vergangenen Jahren spürbar rückläufig“, berichtet SoftSelect Geschäftsführer Michael Gottwald. „Bei Softwareauswahlprojekten verzeichnen wir eine deutliche Zunahme der Cloud-Fähigkeit als Kernanforderung.“ Die Notwendigkeit, Kosten zu senken, zwinge viele Unternehmen dazu, die vorhandenen IT-Infrastrukturen auf den Prüfstand zu stellen. Die aktuell wirtschaftlich angespannte Lage in vielen Unternehmen erhöhe die Bereitschaft, Prozesse zu verändern und Kompromisse einzugehen, um die Kostenstrukturen nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig zu verbessern.

Kundenbetreuung (CRM), Waren- und Materialwirtschaft sowie Finanzbuchhaltung unterstützen die meisten von SoftSelect untersuchten betriebswirtschaftlichen Systeme (ERP). Quelle: SoftSelect

Nicht nur das Angebot an ERP-Lösungen ist durch neue Cloud-, Mobil- und Branchenlösungen vielfältiger als je zuvor. Auch die Frage nach der optimalen Technologie und das individuell passende Bereitstellungsmodell beschäftigt Anwenderunternehmen, die vor Investitionsentscheidungen stehen. 89 Prozent der in der Studie untersuchten ERP-Systeme werden klassisch als Inhouse-Variante angeboten. 76 Prozent der Lösungen werden über die Cloud bereitgestellt. Im Vergleich zum Jahr 2018 entspricht dies einem Anstieg von 11 Prozent. Laut Studie wird das Angebot nach wie vor dominiert von Client-Server-Lösungen (88 Prozent), Multi-Tier-Architekturen (72 Prozent) und webbasierten Architekturen (65 Prozent). Vollständig webbasierte Anwendungen sind zumindest im ERP-Bereich mit einem Anteil von 13 Prozent noch die Ausnahme. Als technologische Plattform kommt bei der Mehrheit der ERP-Systeme (57 Prozent) Dotnet zum Einsatz, während Java auf einen Anteil von rund 42 Prozent kommt. 43 Prozent der ERP-Lösungen nutzen eine Service-orientierte Architektur.

Von der Warenwirtschaft bis hin zur Fertigungssteuerung

Zu den gängigsten Kernbereichen gehören die Waren- und Materialwirtschaft (98 Prozent Abdeckungsgrad), CRM/Customer Relationship Management (92 Prozent), Dokumentenmanagement (88 Prozent) und Business Intelligence (82 Prozent). Während Personalverwaltung (66 Prozent), Personalabrechnung (55 Prozent) oder das Advanced Planning & Scheduling (54 Prozent) zur Optimierung der Ressourcenplanung noch von mehr als der Hälfte der Lösungen abgebildet werden, unterstützen nur noch wenige Systeme die Bereiche Entwicklung/Konstruktion (34 Prozent), Manufacturing Execution Solution (29 Prozent) und Computer Integrated Manufacturing (24 Prozent).

Viele ERP-Lösungen sind auf spezifische Branchensegmente fokussiert wie etwa Industrie (71 Prozent), Handel (65 Prozent) oder Dienstleistungen (63 Prozent). Im industriellen Anwendungsumfeld unterstützen die Lösungen eine Vielzahl von Fertigungsarten– von der Einzelfertigung (97 Prozent), der Kleinserienfertigung (95 Prozent), der Variantenfertigung (90 Prozent) der Losgrößenfertigung (86 Prozent), der Serienfertigung (83 Prozent) bis hin zur Fließfertigung (67 Prozent), der Prozessfertigung (60 Prozent) bis hin zur Kanban-Fertigung (54 Prozent). Branchenunabhängig einsetzbar sind laut Anbieterangaben 62 Prozent der ERP-Systeme. Bei spezifischen Branchenzweigen wie etwa Transport und Logistik (40 Prozent), Handwerk (32 Prozent), Bauwirtschaft (30 Prozent) oder Öffentlicher Dienst (25 Prozent) dünnt sich das Angebot deutlich aus.

62 Prozent der von SoftSelect untersuchten ERP-Systeme lassen nicht branchenneutral einsetzen. Der Rest ist für bestimmte Anwendungsbereiche vorkonfiguriert. Quelle: SoftSelect

Business-Software im Plattform-Ökosystem

Im Zeitalter von Kollaborationsnetzwerken, verteilter Produktion und automatisierter Maschinensteuerung über das Internet der Dinge kommt dem ERP-System als zentraler Prozess- und Datendrehscheibe bei der Unternehmensplanung und -Steuerung eine Schlüsselaufgabe zu. Die industrielle Produktion wächst künftig mit digitalen Prozessen und Services zusammen. Um dieser Rolle innerhalb der bestehenden Plattformökonomie aber auch langfristig gerecht zu werden und externe Dienste zu integrieren, müssen ERP-Systeme anpassungsfähiger, offener und flexibler werden.

Das Verknüpfen von Services digitaler Plattformen erfordert standardisierte, teilweise branchenspezifische Schnittstellen im ERP-System entweder auf der Daten-, Prozess- oder der Oberflächen-Ebene. Darüber hinaus sollten flexible Workflow-Engines die Möglichkeit eröffnen, die Abläufe – etwa mit Hilfe einer Mikroservice-Architektur – an neue Rahmenparameter anzupassen. Dies erlaubt den Anbietern, bestimmte Leistungsangebote wie etwa Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz herauszulösen und als eigenständige Services zu betreiben, setzt aber auch die Anpassung des Lizenzmodells voraus.

Gateways ins Internet der Dinge

Devices, Daten oder Workflows aus dem Internet der Dinge integriert bislang ein gutes Drittel der ERP-Lösungen. Am häufigsten bereitgestellt werden die dazugehörigen Analysefunktionen (84 Prozent, bei einer Grundgesamtheit von n=38), die Anbindung an Cloud-Plattformen (76 Prozent), die Nutzung von Devices aus dem Internet der Dinge in Workflows (66 Prozent) und ein integriertes Gateway für das Internet der Dinge (61 Prozent).

Mit der SoftTrend Studie 293 – ERP Software 2020 bietet die SoftSelect GmbH Unternehmen eine fundierte Entscheidungshilfe und zeigt aktuelle Trends und Entwicklungen bei ERP-Software auf. Die kostenpflichtige Studie enthält einen umfassenden Überblick zu den einzelnen ERP-Lösungsanbietern. Unter http://www.softselect.de/erp-studien ist ein kostenloses Management Summary der Studie. erhältlich      Jürgen Frisch

Kommentare sind deaktiviert