Abas zwingt den Anwendern keine Cloud-Migration auf

Produktmanager Daniel Rau vom Standardsoftwerker Abas erklärt im Interview die Cloud-Strategie des Unternehmens. In der der Entwicklung gilt Cloud first. Allerdings werden auch bestehende On-Premise-Lösungen künftig weiterentwickelt.

Abas bietet sein Cloud-Angebot seit Anfang 2017 in den USA und seit Sommer 2017 in Deutschland. Wie unterscheiden sich USA und Europa?

Wir haben in den USA gesehen, dass wir ohne Cloud-Lösung im Vertrieb kaum noch punkten, und wir sind davon ausgegangen, dass dieser Trend mit Verzögerung nach Europa kommt. Daher sind wir 2017 in den USA in das Cloud-Geschäft gestartet, um Erfahrungen zu sammeln. Wir haben das entsprechende Know-How aufgebaut und bieten die Lösung nun auch in Europa aus einem deutschen Rechenzentrum an.

Spricht die Cloud eher Neukunden an oder nutzen auch Bestandskunden dieses Angebot?

In die Cloud gehen eher Neukunden, während Bestandskunden Zurückhaltung üben. Das gilt sowohl für die USA als auch für Europa. Unsere mittelständischen Kunden in der Region DACH sind typischerweise eher vorsichtig was die Nutzung von Angeboten aus der Cloud angeht. Laut unserer diesjährigen Kundenumfrage lehnen derzeit fast 35 Prozent kategorisch den Betrieb von Cloud-Lösungen ab, während 15 Prozent Mietmodelle für sich ausschließen. Interessanterweise können sich aber über 60 Prozent unserer Kunden vorstellen ihre Heimarbeitsplätze mit Zugriff auf sämtliche erforderlichen Anwendungen aus der Cloud zu beziehen. Wenig Zurückhaltung besteht auch bei Kudenmanagement-Lösungen und Business-Intelligence-Anwendungen aus der Cloud. Deswegen bieten wir Unternehmen ein Sprungbrett, mit dem sie schrittweise in die Cloud wachsen können. Einzelne Services aus der abas Cloud an, die sich in bestehende lokale Infrastruktur integrieren lassen, wie etwa unseren Web Client oder das Business Process Management.

 

Daniel Rau (rechts) ist bei Abas für das strategische Produktmanagement zuständig und erarbeitet zusammen mit den Ownern der jeweiligen Produkte die Leitlinien der künftigen Entwicklung. Foto: Till Konstanty

Mittelständische Fertigungsunternehme sind typischerweise der Cloud gegenüber besonders reserviert und betreiben dort lediglich Reisekostenmanagement und Kundenverwaltung. Die zentralen ERP-Systeme hingegen bleiben inhouse.

Das kann ich speziell für DACH bestätigen. Deswegen bieten wir aus der Cloud Services an, die das ERP-System funktional ergänzen. Ein Beispiel dafür ist abas Docs, ein kollaboratives Dokumentenmanagementsystem. Ein anderes Beispiel, wo auch mittelständische Fertiger eher bereit sind, Services aus der Cloud zu verwenden, sind Projekte rund um Mobile Apps, Big Data, Predictive Maintenance oder das Internet der Dinge. Darüber hinaus entscheiden sich einige Unternehmen dafür einzelne Standorte beispielsweise in Fernost, über die Cloud anzubinden.

Bietet Abas demnach kein komplettes ERP-System aus der Cloud?

Doch, wir haben das in zwei Varianten. Die eine Variante ist das klassische abas ERP. Unsere Zielgruppe sind hier Neukunden, die nach eine ERP-Lösung als Managed Service Angebot zu einem monatlichen Nutzungspreis suchen. Primär kleinere Betriebe, die sehr nahe am Systemstandard arbeiten. abas ERP lässt sich schon immer sehr eng ans Unternehmen anpassen. Die kleineren Betriebe, die wir nun mit dieser Cloud Variante als Zielgruppe anpeilen, sind daran aber erstmal nicht interessiert, sondern wollen möglichst schnell und mit geringen Vorabinvestitionen starten. Wollen sie später einmal das ihr ERP in der Cloud anpassen, können das unsere Partner tun, ohne dass dafür die Lösung gewechselt werden muss.

Und die zweite Variante von Cloud ERP?

Künftig werden wir eine weitere Cloud-Lösung anbieten, die für bestimmte Branchen vorkonfiguriert ist. Ein großer Unterschied zur jetzigen Variante von abas ERP aus der Cloud, die unsere Partner so anpassen, wie es der Kunde haben will. Es wird einige Branchenlösungen dieser Art geben die abas selbst betreibt.

Welche Branchen haben Sie hier im Auge?

Einzel- und Kleinserienfertigung sowie den Maschinen und Anlagenbau.

Nehmen Sie dabei nicht den Partnern Geschäft weg, wenn sie die Branchenlösung selbst anbieten?

Ganz im Gegenteil. Was wir 2016 auf der abas Anwenderkonferenz angekündigt haben ermöglichen wir jetzt auch unseren Partnern. Jeder Partner hat nun die technischen Möglichkeiten seinem Zielmarkt hoch skalierbare Branchenlösungen aus der Cloud zur Verfügung zu stellen. Er erhält dazu von uns ein erweiterbares ERP-Kernsystem, zahlreiche Add-on sowie Werkzeuge zur Anpassung und Prozessmodellierung.

Bis wann sollen die Branchenpakete zur Verfügung stehen?

Unsere eigenen Branchenpakte starten nach jetziger Planung bis Ende 2019. Partner können sofort beginnen, solche Lösungen zu bauen, sofern sie notwendige Branchenkompetenz haben.

Wie sieht das Abrechnungsmodell für die neuen Cloud-Lösungen aus?

Für unsere Branchenpakete haben wir vor, unterschiedliche Funktionen und Dienstleistungen in drei Paketstufen zu bündeln und im Subskriptionsmodell zur Miete, anzubieten. Ein Basispaket, ein mittleres und ein großes Paket. Die Preismodelle unterscheiden sich nach Laufzeit. Ein Unternehmen kann beispielsweise ein Paket drei Monate mit monatlicher Abrechnung ausprobieren und bei Erfolg auf eine Laufzeit von 24 Monaten wechseln. Dann wird der monatliche Preis günstiger.

Können Unternehmen zwischen der Cloud und On-Premise hin- und her wechseln?

Ja. Der Wechsel ist einfach möglich, da wir alle skalierbaren Komponenten aus der Cloud auch alternativ on-premise via Docker Container zur Verfügung stellen können.

Customizing ist bei Abas ein Anpassen von Masken. Änderungen an der Datenbank waren bisher tabu.

Das bleibt auch künftig so. Die Kernlogiken in der Datenbank sind stark gekapselt und lassen sich nicht ändern. Aber wir haben eine äußere Schicht eingeführt, in der Anpassungen updatefest möglich sind. Darüber lassen sich nicht nur Masken anpassen, sondern auch eigene Logiken ergänzen und sogar neue Variablen in die Datenbank bringen.

Wie unterscheiden sich On-Premise-Systeme und Cloud-Services beim Customizing?

In einer On-Premise-Installation lief das Customizing bisher über die flexible Oberflächen Programmierung. In der Cloud hingegen werden Workflows angepasst. Im Workflow lassen sich Bedingungen abfragen, an denen sich der weitere Verlauf eines Prozesses orientiert. Dieses Customizing über Business Process Management wird künftig auch unseren On-Premise-Kunden zur Verfügung stehen. Statt der altbekannten Programmierung handelt es sich dann um das kundenspezifische konfigurieren von Prozessen. Darüber hinaus können über Business Process Management auch andere Systeme und Services in die Abläufe oder zur Entscheidungsfindung eingebunden werden.

Lassen sich auch die künftigen Branchenlösungen anpassen?

Die Branchenlösungen sind vorkonfiguriert und enthalten die jeweils für die Branche relevanten Prozesse und Masken. Dadurch werden wir im Projekt schneller, weil wir nicht jedes Mal mit dem Kunden gemeinsam Definitionen erarbeiten müssen. Anpassen lassen sich in den Branchenlösungen beispielsweise die User Dashboards, indem Anwender neue Widgets hinzufügen, oder das Aussehen der Masken durch Ein- und Ausblenden von Feldern. Ebenfalls möglich sind Add-Ons, die den Funktionsumfang erweitern.

Was werden denn die Kunden wohl als erstes in die Cloud migrieren? Sind das Lösungen, die das ERP-System ergänzen?

Davon gehen wir aus. Um Themen wie etwa das Internet der Dinge abzubilden, entwickelt sich Abas zu einem Plattformanbieter. Wir schaffen mit unserem abas Marketplace ein Ökosystem, in dem die Kunden Add-Ons für Reisekostenabrechnung, Big-Data-Analytics oder Industrie 4.0 bekommen und diese in ihr Abas-System integrieren können. Diese Add-Ons kommen von Partnern. Wir stellen den Partnern eine Entwicklungsumgebung bereit, die sie von der Programmierung über Tests bis hin zum Deployment unterstützt.

 

Auf der Global Conference am 20. und 21. September 2018 stellte die Abas Software AG den über 1000 anwesenden Kunden und Partnern ihren Marketplace vor. Ab sofort können die 4000 abas-Kunden die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse mit Anwendungen aus dem abas Marketplace beschleunigen. Foto: Till Konstanty

Gehen Sie davon aus, dass sich eines Tages Fachabteilungen selbst Add-Ons aus dem Marktplatz besorgen?

Ja. Alle Marktplatz-Lösungen sind subskriptions-basiert und ermöglichen genau das. Fachabteilungen können sie schnell testen und bei Nichtgefallen ebenso schnell wieder abschalten. Funktional lässt sich beispielsweise über den Enterprise Service Bus abas Connect eine Route zu einer CRM-Lösung von Salesforce schaffen. Diese vorkonfigurierte Route kann über den Marktplatz erworben und in abas Connect geladen werden. Dann kann die Fachabteilung automatisch Kundendaten aus Salesforce in den Stammdatensatz von abas ERP importieren.

Manche Bestandskunden wollen On-Premise bleiben. Werden deren Lösungen weitergepflegt?

Ganz klar: Wir unterstützen auch weiterhin den On-Premise-Betrieb unserer Lösungen, und auch neue Produkte können künftig in dieser Variante betrieben werden. Wir starten bei der Entwicklung eines neuen Produkts immer häufiger mit der Cloud-Lösung und bringen im nächsten Schritt eine Variante für den On-Premise-Betrieb. Bei einer Cloud-Lösung sind die Wege zum Kunden viel kürzer. Hat das Produkt nach den Tests der Kunden eine Reife erreicht, dann ist die On-Premise-Variante an der Reihe. In der umgekehrten Richtung wäre der Weg deutlich schwieriger und aufwändiger.
                                                                                                                         Jürgen Frisch

 

 

Kommentare sind deaktiviert