Dienstleister polieren das Social-Media-Image auf

Social-Media-Aktivitäten verstehen sich zunehmend als Teil einer übergreifenden Marketing-Strategie. Die Erfolgsanalyse wird unverzichtbar. Meist übernimmt sie ein Dienstleister im Outsourcing. (Ausgabe 4/2013)

Die Analyse sozialer Medien kann die Geschäfte anfeuern: Laut einer Studie von Arthur D. Little verdienen innovative Unternehmen 13 Prozent mehr als der Durchschnitt mit neuartigen Produkten und Dienstleistungen. Gleichzeitig schneiden sie hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Analyse und Nutzbarmachung externer Daten um 25 Prozent besser ab. Für die Studie Social Media Value Proposition hatte Arthur D. Little 275 Topmanager aus den USA und Deutschland befragt: „Social Media schaffen für die Unternehmen nicht nur einen kommunikativen Mehrwert, sondern bieten auch signifikante Ertragspotenziale“, berichtet Michael Opitz, Leiter der TIME Practice von Arthur D. Little in Deutschland.

Mobilfunker als Erfolgsbeispiel

Erfolgsbeispiele in Sachen Social Media sind insbesondere die großen Unternehmen aus den USA. Hierzulande hat es die Deutsche Telekom bei Arthur D. Little aufs Siegertreppchen geschafft. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine gezielte Social-Media-Strategie aufgebaut. Die Kampagne „Telekom hilft“  spricht Kunden über eine dreistufige Strategie an: der Bereich „Telekom erleben“ bietet aktuelle Informationen über die Telekom, während „Telekom hilft“ sich um akute Kundenanfragen kümmert und der Bereich „Deutsche Telekom“ generelle Informationen über das Unternehmen liefert. Generell platziert die Deutsche Telekom ihre Angebote auf verschiedenen Social-Media-Sites sowie im Internet.
Ein weiteres Erfolgsbeispiel aus Deutschland ist der Chemiegigant Henkel, der für Social Media Monitoring mit IBM und dem Institut für Handelsforschung kooperiert: Mit Schwarzkopf.de bietet das Unternehmen eine rein auf Haarthemen fokussierte Webseite, die auf eine Social-Media-affine Zielgruppe zugeschnitten ist. Sie liefert redaktionelle Inhalte und integriert einen Facebook-Auftritt. Für die Analyse der Social-Media-Aktivitäten kommt das IBM-Tool Cognos Consumer Insight zum Einsatz. Über diese Lösung wertet Henkel produkt-, marken- und unternehmensbezogene Online-Kommentare aus. Die Analyseergebnisse fließen in die Optimierung der Social-Media-Aktivitäten ein.
„In den klassischen Branchen sind auch hierzulande vor allem die großen Unternehmen wie etwa Automobilhersteller, Telekommunikationsanbieter oder Versandhändler in Social-Media-Analyse aktiv“, erläutert der auf Business Intelligence spezialisierte Analyst Wolfgang Martin vom Team Wolfgang Martin. „Unternehmen, die im Web mit E-Commerce oder Gaming auftreten, haben die Social-Media-Analyse vom Start weg genutzt. Mittelständische Betriebe hingegen haben zwar verstanden, dass sie in Social Media aktiv sein müssen. Aber über eine Facebook-Präsenz sind bislang nur die wenigsten hinausgekommen.“
Social Media ordnen sich idealerweise in die übergreifende Marketingstrategie eines Unternehmens ein. Organisatorisch schlagen viele  Unternehmen die Social-Media Aktivitäten den Abteilungen Marketing oder Customer Service zu. „Oft betreuen die Call Center Agents die Facebook-Präsenz und den Twitter-Auftritt“, berichtet Martin. „Früher hatten diese Mitarbeiter bereits E-Mail-Anfragen beantwortet, und da war der Weg zu Social Media nicht weit.“ Einer der Pioniere in der organisatorischen Ausgestaltung der Social-Media-Aktivitäten sei die Deutsche Bank, die schon vor zwei Jahren ein eigenes Team aufgestellt hat, das sich ausschließlich um dieses Thema kümmert.

Sentiment Analysis erkennt Meinungen über Produkte

Damit Unternehmen Social Media automatisiert auswerten können, brauchen sie laut Martin drei Komponenten: einen Crawler, der das Internet nach vorgegebenen Kriterien durchsucht, ein Data Warehouse, das die Daten speichert, und Module für Textmining und Textanalytik, welche die Daten untersuchen und zu einer Sentiment Analysis, also einer Erforschung der Meinungsbildung, aufbereiten. „Textmining basiert ausschließlich auf statistischen Verfahren, bei der Textanalytik kommen zusätzlich linguistische Verfahren wie Natural Language Processing hinzu“, erklärt Martin den Unterschied. „Wir haben Textanalytik auf Basis unstrukturierter Daten in unser Produkt integriert“, berichtet Wolf Lichtenstein, Deutschland-Geschäftsführer von SAS Institute. „Das führt dazu, dass unser System beispielsweise in einer Social-Media-Analyse für die Allianz Versicherung unterscheiden kann, ob sich ein Kommentar auf die Allianz Versicherung oder auf das Allianz Stadion bezieht. So filtern wir aus dem Datenuniversum die Punkte heraus, die für unsere Kunden wirklich relevant sind.“
Diese Basistechnologien nutzen sämtliche Tools für Social Media Analysis. Martin verweist auf ein wichtiges Merkmal, das die guten von den weniger guten Tools unterscheidet: „Die Applikationen müssen multilingual arbeiten und verschiedene Sprachen beherrschen. Gute Tools verfügen über eine eigene Sentiment Analysis pro Sprache. Die weniger guten Tools führen eine maschinelle Übersetzung durch und machen dann die Sentiment Analysis auf dem übersetzen Text.“ Bei einer maschinellen Übersetzung gingen Details verloren, manchmal werde auch der Gesamtzusammenhang verzerrt dargestellt. Erstmals aufgetaucht sei diese Unschärfequelle bei amerikanischen Unternehmen, die ihre Analyse mit einem Tool durchgeführt hatten, das außer englisch keine andere Sprache verstand. „Solange die Analyse-Tools eine Sprache nicht beherrschen, müssen sie auf eine maschinelle Übersetzung zurückgreifen“, erläutert Martin.

So funktioniert Text Mining
Das Text Mining lässt sich grob in folgende Arbeitsschritte untergliedern:
• Vorbereiten des Texts für die Analyse;
• Konzepte extrahieren;
• Meinungen und Zusammenhänge aufdecken;
• Klassifizieren;
• Text-Analytics-Modelle aufbauen;
• Text-Analytics-Modelle mit anderen Datenmodellen zusammenführen;
• Ergebnisse entwickeln und präsentieren.

Tonalitätsanalyse unterscheidet zwischen Lob und Kritik

Dem Textmining widmen sich sowohl die Analyse-Champions als auch Spezialhersteller, wie Martin berichtet. Bei den klassischen Data-Mining-Anbietern nennt der Analyst IBM SPSS, SAP Business Objects und SAS Institute. IBM bietet Komplettlösungen wie IBM SPSS Modeler Premium und IBM Content Analytics an, welche unstrukturierte Daten aus dem Internet oder aus dem eigenen Unternehmen mit strukturierten Kundendaten zusammenführen und gemeinsam auswerten. Die SAP tritt an mit SAP HANA und der Lösung SAP Sentiment Analysis. Die Funktionalität für Textsuche in unstrukturierten Daten ist laut Ingo Brenckmann, Senior Development Manager bei SAP, bereits in der In-Memory-Datenbank SAP HANA eingebaut. Damit könnten Unternehmen beispielsweise Fehlerreports systematisch auswerten. Hinzu komme die speziell auf Twitter und Facebook abgestimmte Lösung SAP Sentiment Analysis, die Social-Media-Inhalte analysiert.
SAS Institute tritt an mit SAS ­Social Media Analytics, also einem Modul der Marketingplattform SAS Customer Intelligence, und der Lösung SAS Conversation Center. Letztere hilft Unternehmen, die Reichweite, Relevanz und Tonalität von Tweets zu erfassen und darauf zu reagieren. SAS Conversation Center analysiert den Einfluss eines Twitterers, indem es Faktoren wie die Zahl der Tweets sowie die Inhalte der Diskussionen bewertet. In einem zweiten Schritt kategorisiert die Lösung die Tweets danach, welchen Unternehmensbereich sie thematisch ansprechen: Kundendienst, Marketing oder Qualitätssicherung. Über die Tonalitätsanalyse kann die Lösung laut Hersteller einschätzen, ob ein Tweet eine positive oder eine negative Äußerung zu den Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens darstellt.

Social Media und CRM werden zusammenwachsen

Relativ neu im Konzert der Großanbieter ist der Mitte März dieses Jahres von Microsoft übernommene Monitoring-Anbieter Netbreeze, der bisher hauptsächlich in seinem Ursprungsland Schweiz bekannt war. Dessen Technologie zur Auswertung von Social-Media-Inhalten will Microsoft in seine Kundenmanagementlösung (CRM) MS Dynamics CRM integrieren. Die Redmonder wollen die CRM-Lösung um ein Dashboard erweitern, das Trend-Übersichtstabellen enthält sowie Tag-Clouds und Lis-ten von Influencern. Damit sollen sich Trends verfolgen und nach Quellen aufsplitten lassen. Im Rahmen der Tonalitätsanalyse soll das Tool zwischen positiven und negativen Aussagen unterscheiden. „Anwender können künftig aus MS Dynamics CRM heraus in Netbreeze Social Analytics hineinschauen“, erläutert Martin. „Das zeigt, dass Microsoft ebenso wie SAP, SAS Institute oder Salesforce verstanden hat, dass Social Media Analysis und Marketing unter dem Dach von Customer Relationship Management zusammengeführt werden sollten.“ Bisher sei eine derartige Koppelung mit Net­breeze als Partnerprodukt möglich gewesen. Unter dem Dach von Microsoft könne sich die Schweizer Lösung jedoch deutlich vitaler entwickeln. Neben den Lösungen der Marktriesen erwähnt Martin bei Social Media Analysis kleinere Anbieter wie Information Builders und Microstrategy sowie Speziallösungen etwa vom deutschen Anbieter Business Intelligence Group.

Outsourcing gilt als das Betriebsmodell der Wahl

Die Tatsache, dass die Social-Media-Daten bereits im Web vorliegen, legt für die Analyse-Applikationen das Betriebsmodell Software as a Service nahe, wie Andi ­Diggelmann, Vice President Research and Development, Analytics und Strategie bei SAS In­stitute, erklärt: „Es macht keinen Sinn, dass ein Unternehmen öffentlich verfügbare Informationen im eigenen Haus analysiert. Und wenn Twitter und Facebook ihre Programmierschnittstellen für den Zugriff ändern, muss auch nicht jeder Anwender das Problem für sich selbst lösen.“ SAS Insti­tute bietet daher – ebenso wie SAP, Oracle, Microsoft, IBM und andere Anbieter – die Lösungen zur Social Media Analysis im Hosting an. „Es handelt sich dabei meistens um einen Outsourced Managed Service, und dieser ist nicht unbedingt mit Cloud gleichzusetzen“, schränkt Martin ein. „Den Lösungen fehlt oft die Multitenancy, stattdessen sind sie individuell auf einen Kunden zugeschnitten.“ Der einzige wirkliche Cloud-Anbieter von ­Social-Media-Marketinglösungen sei Salesforce mit Radian 6.
Generell hält es Martin für überaus sinnvoll, Social-Media-Marketing über einen Dienstleister zu beziehen. „Um das Monitoring im eigenen Haus durchzuführen, braucht ein Unternehmen einen Rechner-Park und muss zudem Know-how aufbauen, das nirgendwo sonst genutzt werden kann. Outsourcing ist hier deutlich kostengünstiger.“ Das Resultat sei eine kombinierte Lösung aus einem Service, der von Dienstleistern gemanagt wird, und dessen Ergebnisse in die hauseigene CRM-­Applikation fließen. Die Dienstleister nähmen den Kunden die aufwändige Arbeit des Konfigurierens der Tools ab. Rechenzentrumsgiganten wie IBM sähen darin ein gutes Geschäftsfeld, ihre Rechenzentren auszulasten und gleichzeitig Consulting-Dienstleistungen zu verkaufen. Ähnliches gelte für SAP, Oracle, SAS Institute und ­Salesforce. Für kleine Anbieter allerdings erschwere die Outsourcing-Option den Markteinstieg.

Agenturen sind die Mittler zwischen Softwerker und Kunde

Eine erweiterte Spielart des Outsourcing stellen Agenturen dar, die sich die Analyse-Tools von den Herstellern mieten. „Diese erarbeiten zusammen mit dem Kunden die Social-Media-Stoßrichtung, setzen die Strategie um und messen regelmäßig den Erfolg der dazugehörigen Maßnahmen“, berichtet Martin. Die Agenturen erweiterten die Analyse-Technik der IT-Hersteller um Marketing-Inhalte. Aus ihrer Sicht sei Social Media Analysis nichts anderes als ein Nachfolger und eine Erweiterung des altbekannten Presse-Clippings.
In Richtung Outsourcing gehen auch die Umsetzungstipps des Business-Intelligence-Analysten: „Fragen Sie nach, ob Ihre eigene oder eine befreundete Agentur Sie beim Thema Social Media unterstützen kann, und setzen Sie dann ein kleines Pilotprojekt auf. Starten Sie mit fachkundiger Führung und ziehen Sie das Outsourcing dem Inhouse-Ansatz vor.“ jf

Die Experten:

„Gute Analysetools beherrschen mehrere Sprachen und haben dafür jeweils eine eigene Sentiment Analysis“, berichtet der Analyst Wolfgang Martin. „Weniger gute Tools arbeiten stattdessen mit maschineller Übersetzung.“

„Gute Analysetools beherrschen mehrere Sprachen und haben dafür jeweils eine eigene Sentiment Analysis“, berichtet der Analyst Wolfgang Martin. „Weniger gute Tools arbeiten stattdessen mit maschineller Übersetzung.“

„Die Technologie der Textsuche  in unstrukturierten Daten ist in SAP HANA enthalten“, sagt Ingo Brenckmann, Senior Development Manager bei SAP. „SAP Sentiment Analysis ist ein auf Twitter und Facebook spezialisiertes Produkt.“

„Die Technologie der Textsuche
in unstrukturierten Daten ist in SAP HANA enthalten“, sagt Ingo Brenckmann, Senior Development Manager bei SAP. „SAP Sentiment Analysis ist ein auf Twitter und Facebook spezialisiertes Produkt.“

„Es macht keinen  Sinn, dass ein Unternehmen öffentlich verfügbare Inhalte im eigenen Haus analysiert“, erklärt Andi Diggelmann, Vice President Research and Development, Analytics und Strategie bei SAS Institute.

„Es macht keinen Sinn, dass ein Unternehmen öffentlich verfügbare Inhalte im eigenen Haus analysiert“, erklärt Andi Diggelmann, Vice President Research and Development, Analytics und Strategie bei SAS Institute.

 

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