Die digitale Transformation meistern

Die Digitalisierung nahezu aller Wirtschafts- und Lebensbereiche stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Bei einem Presse-Roundtable in München diskutierten IT-Anbieter und -Nutzer, wie sie auf die Veränderungen am besten reagieren und sie mitgestalten. Die Antwort war erstaunlich einhellig: Unternehmen brauchen neben der klassischen Unternehmens-IT, die das Tagesgeschäft am Laufen hält, eine schnelle, agile IT, die flexibel Neues ermöglicht und ausprobieren lässt, ohne das ein Scheitern das Unternehmen in seinen Grundfesten erschüttert.

Von Christian Merten

Smartphones stellen schon heute jede Menge Sensoren bereit, die über eine Internetverbindung Daten zur Auswertung an viele unterschiedliche Dienste senden. Bereits jetzt nutzen viele Menschen das Internet überall, erzeugen unendlich viele Informationen, die für neue Geschäftsmodelle genutzt werden (können). Das allgegenwärtige Internet der Dinge scheint schon greifbar. Doch viele Unternehmen stellt es vor neue Herausforderungen – neue Herausforderer tauchen auf dem Markt auf und stellen angestammte Geschäfte in Frage.

„Vor fünf, sechs Jahren hat wahrscheinlich niemand bei Daimler daran gedacht, dass eines Tages Google als Konkurrent beim autonomen Fahren auftauchen könnte“, veranschaulichte Johannes Helbig bei einem Presse-Roundtable in München, welche Verwerfungen es durch die digitale Transformation in der Wirtschaft geben kann. Der Vorstandsvorsitzender des SOA Innovation Labs, einer Anwendervereinigung aus elf Großunternehmen und Behörden, weiß, wovon er spricht; er war unter anderem im Chief Innovation Officer im Bereichsvorstand Brief der Deutschen Post.

Sensoren liefern Daten für Unternehmensentscheidungen

Das Thema Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen erreichen mittlerweile eine breite Öffentlichkeit. Die Cebit macht es in diesem Jahr mit ihrem Motto „d!conomy“ als Kunstwort aus „digital“ und „economy“ zum zentralen Begriff der größten IT-Business-Messe. Industrie 4.0, Internet of Things sind die Vokabeln, die viele Vorführungen, Vorträge und Diskussionen bestimmen werden. Carlo Velten, Senior Analyst und CEO von Crisp Research, hält das für eine logische Entwicklung, denn: „Sensoren sind überall, sie kommen nicht nur im Industriebereich zum Einsatz, sie begegnen uns jetzt schon in Socken, um unseren Gang zu analysieren.“ Mittlerweile gebe es kaum mehr einen Bereich, der nicht von der Digitalisierung erfasst sei. „Selbst im Weinbau werden heute Sensoren eingesetzt, die das Mikroklima für die Reben erfassen, damit der Winzer Bewässerung und Düngung optimal dosieren kann“, führt Velten als ein Beispiel an, das aus einer scheinbar IT-fernen Branche kommt.

Digitaliserung erfordert oft Renovierung des Geschäftsmodells

Die Macht, mit der die Digitalisierung immer weitere Bereiche erfasst, sieht Johannes Helbig in der Wirkkraft des seit 50 Jahren gültigen Mooreschen Gesetzes, demzufolge sich die Leistung von Chips alle ein bis zwei Jahre verdoppelt. „Miniaturisierung, breite Verfügbarkeit der Technik und die Vernetzungsmöglichkeiten treiben die Digitalisierung voran“, ergänzte Tolga Erdogan, Director Solutions & Consulting des Lösungsanbieters Dimension Data in Deutschland. Thomas Stöcker, Vice President Business Development von NTT Data EMEA, sieht in der Digitalisierung den notwendigen Anlass zur Renovierung vieler Unternehmen. Sie müssen jetzt überprüfen, worin sie sich von Wettbewerben unterscheiden, was sie besonders gut können und wie sie diese Bereiche weiterentwickeln wollen. „Standardaufgaben und Standardabläufe müssen Unternehmen nicht selbst übernehmen, sondern können sie auslagern. Sie sollen sich besser mit der Renovierung ihres Geschäftsmodells beschäftigen, und wenn sie selbst nicht die Möglichkeit dafür haben, sollen sie sich dafür die richtigen Experten holen“, empfiehlt Stöcker.

Digitalisierung erfordert zweigleisig Technologie-Strategie

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Diskutierten über die digitale Transformation: (v. l. n. r.) IT-Journalist Christoph Witte, Patrick Quellmalz (IT-Anwenderverband VOICE), Tolga Erdogan (Dimension Data), Johannes Helbig (SOA Innovation Lab), Werner Reuss (Microsoft), Thomas Stöcker (NTT Data), Carlo Velten (Crisp Research) und IT-Journalist Wolfgang Miedl.

Doch so leicht sei das mit der Digitalisierung nicht, insbesondere weil die Produkte, Services und Lösungen der Anbieter nicht zu dem passen, was die meisten Unternehmen brauchte, kritisierte Patrick Quellmalz vom Verband der IT-Anwender VOICE. So seien beispielsweise beim Thema Industrie 4.0 gerade große Technologieanbieter nicht schnell und flexibel genug, neue Entwicklungen aufzugreifen und daraus resultierende Anforderungen zu erfüllen. „Disruptive Geschäftsmodelle, wie sie mit der Digitalisierung verbunden werden, sind bei uns in Deutschland oft nicht möglich“, findet Quellmalz. Unternehmen, die mit der Geschwindigkeit der Digitalisierung mitkommen wollen, betreiben seiner Meinung nach eine zweigeteilte IT: einen großen Tanker mit aufwändiger Prozessunterstützung und tiefer Integration in viele Abläufe und ein Schnellboot, das kurzfristig reagieren und neue Ideen ausprobieren helfe.

Am schnellsten schreitet die Digitalisierung nach Ansicht von Analyst Velten in den Bereichen voran, in denen es um Lifestyle, Gesundheit und Spaß geht. „In diesen Bereichen wiegen auch Datenschutzbedenken nicht so schwer, dass sie die Verbraucher davon abhalten mitzumachen“, ist er überzeugt. Man dürfe diese Entwicklung nicht nur durch die deutsche Brille sehen, sonst übersehe man die deutlich geringere Skepsis im angloamerikanischen und asiatischen Raum.

Der Prozess der Digitalisierung werde sich so sehr verstärken, dass in zwei, drei Jahren nicht mehr darüber gesprochen werde, ist Werner Reuss, Internet of Things Commercial Lead von Microsoft Deutschland, überzeugt. „Dann ist Digitalisierung weit fortgeschritten und so selbstverständlich geworden, dass sie für uns kein Thema mehr ist – wie etwa das Fax heute.“

Bei aller scheinbaren Selbstverständlichkeit von Digitalisierung und deren Geschwindigkeit mahnte Erdogan, auch bei einer zweigeteilten IT mit schwerfälligem Tanker und flotten Schnellboot müsse man beide auf Kurs halten. Auch die Standard-Unternehmens-IT müsse immer auf Kurs gehalten oder wieder gebracht werden.

Cloud ist ein wichtiger Baustein der Digitalisierung

Wichtiger Baustein für die Digitalisierung vieler Unternehmen ist die Cloud mit den vielen möglichen Services. Kleine Unternehmen könnten darüber IT-Services auf dem Niveau großer Konzerne nutzen, und große Unternehmen mit entsprechend großen IT-Abteilungen könnten selbst zu Anbietern von Cloud-Services werden, als neues Geschäftsmodell neben ihrem bestehenden.

Am Ende der von den beiden IT-Journalisten Wolfgang Miedl und Christoph Witte moderierten Diskussion hatten Analyst Velten noch Tipps für IT-Anwenderunternehmen parat: „Sie sollten wieder Spaß an der IT haben. Sie sollten Software selbst entwickeln, um eigene Kompetenz aufzubauen und Alleinstellungsmerkmale zu erarbeiten. Lagern Sie lieber die IT-Infrastruktur als die Software-Entwicklung aus.“ Christian Merten/hei

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