Schlechtes Teamwork bremst SAP-Migrationen

Innovationen vorantreiben und Prozesse optimieren – das benennen IT-Experten als Antrieb für den Wechsel auf SAP S/4HANA. Lediglich 12 Prozent der Unternehmen haben diese Migration hinter sich. Als Hürden gelten die hohe Komplexität der IT-Landschaften und die mangelhafte Zusammenarbeit der Teams.

Business-Perspektive als Leitlinie: das Potenzial des R/3-Nachfolgers SAP S/4HANA hat die Mehrheit der Unternehmen erkannt. In einer Studie des IT-Anbieters LeanIX nennen die Befragten geschäftliche Gründe als Auslöser für die Transformation. 21 Prozent wollen mit SAP S/4HANA Innovationen vorantreiben und das Business wandeln, 33 Prozent sehen die Chance, ihre geschäftlichen Prozesse zu optimieren.

Was so bedeutend für ihr Geschäft sein kann, sollten eigentlich die meisten Unternehmen bereits umgesetzt haben. Das Gegenteil ist der Fall, wie die die Studie von LeanIX zeigt. An der Befragung im April/Mai 2022 dieses Jahres haben Enterprise Architekten und IT-Verantwortliche aus insgesamt 98 Unternehmen von globalen LeanIX- Kunden und Interessenten teilgenommen. 70 Prozent der Befragten kommen aus Europa, weitere 20 Prozent aus den USA – und die große Mehrheit arbeitet in Firmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten. 

Trotz des hohen erwarteten geschäftlichen Nutzens haben erst 12 Prozent der von LeanIX befragten Unternehmen die Migration auf SAP S/4HANA abgeschlossen.
Quelle: LeanIX

In drei Vierteln der Betriebe läuft die Transformation

Auch wenn nahezu alle befragten Unternehmen zukünftig mit SAP S/4HANA planen, haben bisher lediglich 12 Prozent diese Transformation komplett vollzogen – und ebenso viele haben den Zeitpunkt oder die Entscheidung über das Vorhaben vertagt. Drei Viertel der internationalen Firmen befinden sich aktuell im Transformationsprozess, wobei die meisten noch mit der Evaluation und Vorbereitung befasst sind.

Die verlängerte Wartung von SAP ECC (Enterprise Core Component) endet im Jahr 2030. Bis dahin müssen die Unternehmen die Migration abgeschlossen haben. Was zunächst nach einem komfortablen Planungshorizont klingt, erweist sich auf den zweiten Blick als knappes Timing: 36 Prozent der Unternehmen geben für die Migration einen Zeitraum von mehr als drei Jahren an, weitere 31 Prozent nennen zwei bis drei Jahre. Hinsichtlich des tatsächlich benötigten Zeitbedarfs bestehen allerdings große Unsicherheiten: 30 Prozent der Unternehmen sagen, dass der veranschlagte Zeitraum für die Transformation nicht ausreichend war oder sein wird – und mit 37 Prozent kann der größte Teil der Befragten keine Einschätzung dazu treffen.

Lediglich 3 Prozent der von LeanIX befragten Unternehmen betreiben ihr SAP-System nahe am Standard. Bei 33 Prozent sind die Module stark an individuelle Bedürfnisse angepasst.
Quelle: LeanIX

Bestehende ERP-Landschaften sind sehr komplex

Wer ein SAP S/4HANA-Transformationsvorhaben beginnt, muss sich im ersten Schritt mit der bestehenden ERP-Landschaft auseinandersetzen. Drei Viertel aller Unternehmen weltweit nutzen mehrere ERP-Systeme – und in mehr als der Hälfte der Firmen ist über SAP hinaus noch mindestens ein System eines weiteren Anbieters im Einsatz. Sei es durch spezialisierte Lösungen für verschiedene Geschäftsbereiche, länderspezifische Besonderheiten oder die Akquise von Unternehmen mit etablierten IT-Strukturen. Mehrere Systeme und mehrere Anbieter: So lässt sich die Ausgangssituation der meisten ERP-Landschaften zusammenfassen.

Damit endet die Komplexität der Systemlandschaft allerdings nicht. Über zwei Drittel der befragten IT-Experten geben an, dass sich die ERP-Systeme ihres Unternehmens durch ein hohes Maß an Anpassung mit einer Vielzahl individuell konfigurierter Komponenten auszeichnen. Diese strukturellen Besonderheiten sind sicher mit ein Grund, dass fast die Hälfte der Befragten es im Rahmen der Transformation als große Herausforderung wahrnimmt, die Abhängigkeiten zwischen den ERP-Systemen und der umgebenden Software-Landschaft zu identifizieren und abzubilden.

Lediglich in 20 Prozent der Unternehmen ist solch ein umfassender Überblick sofort oder in weniger als einem Monat verfügbar. Die meisten brauchen dafür erheblich länger: 47 Prozent der Befragten geben an, dass sie mehr als drei Monate benötigen, um alle ERP-Lösungen und andere im Unternehmen vorhandenen Applikationen und Systeme mit ihren wechselseitigen Abhängigkeiten darzustellen. Dies vor der Migration zu prüfen, ist aber die Voraussetzung, damit das operative Geschäft durch den IT-Umbau nicht oder nur minimal beeinträchtigt wird.

Die Abstimmung von Business-, Projekt- und IT-Teams betrachten 33 Prozent der von LeanIX befragten Unternehmen als größte Herausforderung bei der Migration auf SAP S/4HANA.
Quelle: LeanIX

Kollaboration gilt als große Migrationshürde

Unternehmen stehen in der Transformation nicht nur einer komplexen ERP-Landschaft gegenüber. Bei einer Transformation aus Business-Perspektive – wie sie die Mehrheit der Unternehmen anstrebt – sollten im Idealfall alle Stakeholder eingebunden werden, um die notwendigen tiefgreifenden Veränderungen mitzugestalten und mitzutragen. Es überrascht daher nicht, dass die Befragten die Abstimmung zwischen den an der Transformation beteiligten Teams die größte Herausforderung sehen. Zwei Dritteln der Studienteilnehmer betrachten die Koordination von Business-, Projekt- und IT-Teams als eine große Aufgabe beschrieben. Kein einziger der befragten IT-Experten hält diesen Abstimmungsprozess für komplett unproblematisch. Lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen berichtet von einer engen Zusammenarbeit zwischen den SAP-Teams und den Enterprise Architekten.

Für die SAP S/4HANA-Transformation sind das keine guten Nachrichten. Gerade Enterprise Architekten können mit einem datengetrieben Ansatz einen entscheidenden Beitrag leisten, um Transparenz über die hoch komplexen ERP-Landschaften und die Abhängigkeiten zur restlichen Software-Umgebung herzustellen. Genau diese Experten bleiben bleiben allerdings häufig außen vor: Lediglich 38 Prozent der Befragten halten die Einbindung der Enterprise Architekten in die SAP S/4HANA-Transformation ihres Unternehmens für ausreichend.

Enterprise Architekten beschleunigen Projekte

Viele internationale Unternehmen lassen eine wertvolle Ressource aktuell noch ungenutzt: die Zusammenarbeit von Enterprise Architekten und SAP-Teams sowie die Einbindung der Architektur-Verantwortlichen in die SAP S/4HANA-Transformation ist stark ausbaufähig. Dabei könnten die Enterprise Architekten dabei helfen, die Komplexität von Strukturen zu bewältigen und eine gemeinsame Sprache für Business und IT zu schaffen.

„Komplexe ERP-Landschaften und die Schwierigkeit, die verschiedenen Teams im Unternehmen in Einklang zu bringen: den Unternehmen läuft bei der Umstellung auf SAP S/4HANA die Zeit davon“, warnt LeanIX-CEO André Christ. „Lediglich ein Drittel der Migrationsprojekte bleibt innerhalb des geplanten Zeitrahmens. Unternehmen sollten diesen Prozess dringend beschleunigen. Der entscheidende Schritt ist eine effektive Zusammenarbeit zwischen den Business-, Projekt- und IT-Teams. Das macht die Transformation nicht nur schneller, sondern stellt darüber hinaus ihren dauerhaften geschäftlichen Nutzen sicher.“       Jürgen Frisch

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