KI im Controlling: Bullshit-Bingo oder echte Hilfe?

Kaum ein Tag an dem nicht in Veröffentlichungen das Thema künstliche Intelligenz bemüht wird. Das Thema ist „heiß“ und ein Garant für gute Leser- oder Klick-Zahlen. Dieser Aufsatz will Erwartungsmanagement betreiben, er richtet sich an Leser aus dem Controlling, die das Thema operationalisieren und verstehen möchten, was denn der aktuelle Stand und was davon zu halten ist.

Mit Blick auf die aktuellen Veränderungen im Controlling, lassen sich einige Trends identifizieren. Das klassische Controlling (Reporting, Top – Down – Planung) verliert an Relevanz und wird technisch gut unterstützt. Komplexität und Volatilität der Unternehmen und des Umfelds nehmen zu. Die Früherkennung von Markttrends gewinnt an Bedeutung und Ergebnisse müssen kommentiert bzw. neuen Ideen entwickelt werden. Projekte werden ebenso wichtiger und der Controller muss die „horizontale Leadership“ übernehmen, um mit Projektverantwortlichen verschiedene Modelle zu entwerfen um Bewertung und Steuerung ermöglichen.

Was ist KI?

Das Themengebiet der künstlichen Intelligenz (KI) ist ein Teilgebiet der Informatik und umfasst Elemente der Statistik und Mathematik. Sie versucht, bestehende Probleme mit eben diesen Kompetenzen zu lösen. Dafür automatisiert sie ein (vermeintlich intelligentes) Verhalten, das maschinell erlernt wurde.

Zu unterscheiden sind die „starke KI“ und die „schwache KI“. Eine starke KI – der Vollständigkeit halber – besitzt alle Fähigkeiten eines Menschen und kann wirklich selbstständig denken. Das klingt vielleicht verlockend, jedoch existiert sie in der Praxis einfach nicht. Die schwache KI findet in vielen alltäglichen Operationen ihr Zuhause. Sie löst ein konkretes Problem, in dem sie ein Verhalten erlernt, das nicht händisch modelliert wurde, sie simuliert hier dieses Verhalten und „tut nur so“ als würde sie denken.

Die bekanntesten und relevantesten Anwendungsfelder sind Bilderkennung, Regressionsmodelle und Klassifizierungsverfahren. Das sind die Bereiche, die einem Controller am ehesten begegnen werden. In absehbarer Zeit wird der Ersatz des Kollegen am Schreibtisch gegenüber durch einen glänzenden Chromgefährten weiterhin Science-Fiction bleiben.

Konkrete Anwendungsbeispiele für KI

In der Praxis gibt es bereits einige Anwendungsbeispiele, in welchen die KI maßgeblich unterstützt:Neuronale Netze ermöglichen das Erkennen von Bildern, Worten und Zeichen. In der Praxis dient dieses z.B. dazu, handgeschriebene oder gedruckte Rechnungen auszulesen und die Informationen in ein EDV-System zu überführen (OCR).

Regressionsmodelle helfen bei der Prognose von Absatzmengen in der Zukunft. Sie ermöglichen eine bessere Produktionsplanung bei geringerem Zeitaufwand.

Klassifizierungsverfahren unterstützen bei der Risikobewertung von einzelnen Transaktionen oder Kunden.

Gerade die Regressionsmodelle und die klassifizierenden Verfahren sind gewiss keine Neuheit. Die logistische Regression bzw. der Entscheidungsbaum als klassifizierende Verfahren sind Klassiker. Das Besondere in der heutigen Ausprägung ist, dass die Modelle eine Vielzahl an Variablen bereitgestellt bekommen und eine definierte Zielvariable, um selbst lernen zu können. Mit einem Trainingsdatensatz kann der Algorithmus die relevanten Variablen identifizieren und seine Ergebnisse optimieren. Man spricht dabei vom maschinellen Lernen, einer Teildisziplin der künstlichen Intelligenz. Anhand eines weiteren Testdatensatzes kann dann die Qualität geprüft werden. Wichtig dabei ist, dass der Algorithmus im Anschluss nur diese eine Aufgabe bewältigen kann. Er ist weder intelligent und kann interpretieren, noch kann er auf besondere Effekte eingehen, die ihm im Vorfeld nicht erklärt wurden. Vereinfacht lässt sich sagen, dass eine KI immer nur so gut ist, wie der Trainer die Rahmenbedingungen schildern
kann.

KI im Controlling

Betrachten wir als controlling-nahes Beispiel einen Machine Learning Algorithmus zur Vorhersage der Absatzzahlen (das CoPlanner mit ihrer Controlling Software und Hadoco gemeinsam implementiert haben) genauer:

Bevor das System einsatzbereit war, musste es trainiert werden. Dafür wurde ein Trainingsdatensatz gebildet, der aus den relevanten Informationen bestand. Auch sehr tolerante und intelligente Modelle wie ARIMA oder der von Facebook entwickelte Prophet sind nicht in der Lage, ihre Datenquellen selbst zu wählen. Was sind mögliche Einflussvariablen (Wetter, Wochentage, Urlaubszeiten, etc.) und was ist die Zielvariable (Absatzmengen)? Die Definition muss der Mensch vornehmen. Ebenso der jeweilige Aggregationsgrad – soll auf Tage, Wochen Monate vorhergesagt werden, lieber auf Kundenebene, Kundengruppen oder Produkten? Bei besonderen Ausreißern, wie in diesem Fall, kann eine generalisierte Ausreißerkorrektur die Qualität maßgeblich steigern. Für jede Analyse ist die Datenqualität das A und O und die kann nur der wirklich intelligente Mensch beurteilen. Das Credo für jeden Data Scientist: Shit in – Shit out!

Der Algorithmus prüft eine Vielzahl an Modellen und wählt das Beste. In diesem expliziten Fall ergaben sich erstaunlich genaue Ergebnisse: die maschinelle Vorhersage wurde im konkreten Fall als Vorgabe für die Kollegen aus dem regionalen Sales verwendet, die diese zu überarbeiten hatten. Per Saldo wich der maschinell ermittelte Plan-Umsatz für Folgejahr von dem menschlich ermittelten Umsatz im Folgejahr nur um 3% ab. Dabei wurde die maschinelle Vorgabe durch die Planer nicht einfach übernommen – in Teilmärkten zeigen sich erhebliche, sich gegenseitig kompensierende Verschiebungen. Nachdem das Projekt schon einige Monate her ist – auch der Ist-Verlauf liegt nahe an der Vorhersage.

Was tun?

Diese Algorithmen sind überall für autokorellierende Zeitreihen einsatzbar und Facebook nutzt z.B. Prophet um ihre eigenen Kennzahlen vorherzusagen. An wen also wendet man sich, wenn man KI einführen möchte? Eine Kombination aus Fach- und Methodenkompetenz wird benötigt. Die natürlichen Ansprechpartner – zumindest im Mittelstand – sind die ERP- und stärker noch die Anbieter von Business Intelligence Werkzeugen.

In den Unterlagen und Preislisten finden sich schon entsprechende Positionen. Die allgemeine Tauglichkeit solcher Modelle ist zu prüfen – sie bilden einen oder mehrere Anwendungsfälle ab, doch ob die Nützlichkeit auf im konkreten Fall vorliegt, gilt es stets zu prüfen. Diese Klärung an sich kann bereits so anspruchsvoll sein wie die Modellierung einer individuellen neuen Lösung. Schade, wenn sich dann zu spät ergibt, dass die erworbene Zeitreihenanalyse nicht geeignet ist, weil das Unternehmen aus dem Maschinenbau seinen Umsatz nicht aus Menge * Preis ermitteln kann.

Ein standardisiertes Forecasting, dass aus den gegebenen Finanzkennzahlen des Unternehmens Abhängigkeiten ermittelt und mit einem KI-Treibermodell aus KI-Umsatz-Forecast einen Finanz-Forecast ermittelt, klingt klasse. Dass die verwendete Mustererkennung sehr wohl Korrelationen, nicht aber Kausalitäten ermitteln kann, ist dennoch zu berücksichtigen. Ebenso wenig können solche Systeme per se externe Einflüsse berücksichtigen, von disruptiven Ereignissen einmal ganz abgesehen (-> Brexit, um ein Beispiel zu nennen).

Dennoch: der Anbieter der Business-Intelligence-Lösung ist ein guter Startpunkt für künstliche Intelligenz im Controlling, denn das BI-System hat bereits alle oder zumindest viele der notwendigen Daten und es ermöglicht die entsprechende Modellierung. Gemeinsam mit Experten aus dem KI-Bereich (intern oder extern) lässt sich herausfinden, welches die beste Herangehensweise ist und auch, welcher Aufwand zu erwarten ist. Für einige Anwendungsfälle stehen Web-Services bereit, die KI-Modelle auch ohne Softwarebeschaffung nutzbar machen.

Auch künftig wird der menschliche Input für KI-Systeme notwendig sein, damit sie Nutzen schaffen. Sie werden im Controlling viele Routinearbeiten erleichtern, teilweise vollständig übernehmen und schaffen Freiraum für die eigentliche Aufgabe: Trends zu erkennen, Maßnahmen zu moderieren, zu modellieren und zu simulieren und dem Management sowie den Kollegen aus der Linie ein Coach zu sein. Am Ende ist die KI nichts anderes als ein weiteres Werkzeug im Managementkreislauf für Coprorate Performance Management. Selbstverständlich kann man seine Waren mit vielen starken Männern zum Kunden tragen aber würde das heute noch irgendwem einfallen?

Autoren

Armin Hagemeier (rechts) und Boris Donchev (links) unterstützen seit 3 Jahren Unternehmen bei den Herausforderungen zum Thema künstliche Intelligenz. Als Gründer der Hadoco GmbH bieten sie eine teilautomatisierte Lösung für das Kundenmanagement von B2B Verbrauchsgüterhändlern. „Fair und partnerschaftlich“, anders kommt eine Kooperation für sie nicht Infrage. Heinrich Nordsieck ist der CPM-Connaisseur und seit Anfang 2016 als Gesellschafter und Geschäftsführer in der CoPlanner GmbH aktiv. Sein Steckenpferd ist die Transformation von Kundenanforderungen in funktionierende Lösungen, und er ist stolz darauf, dass die CoPlanner-Lösungen über viele Jahre oder gar Jahrzehnte erfolgreich eingesetzt werden und nun mit künstlicher Intelligenz ihre Veredelung bekommen.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter:

www.coplanner.com und www.hadoco.de

Kommentare sind deaktiviert