SAP-Strategieratgeber für Migrationen in Richtung S/4HANA

S/4HANA soll SAP-Systeme vereinfachen. Das aktuelle Buch „SAP Nation 2.0 – An Empire in Disarray“ von Vinnie Mirchandani geht der Frage nach, wie Unternehmen ihre IT-Strategie daran ausrichten. Im Exklusiv-Interview mit dem is report erläutert der Analyst seine Recherchen.

Vinnie_Mirchandani

„Die Entwicklung eines neuen Produkts, die Stabilisierung und Reife und schließlich die Akzeptanz bei den Anwendern dauern bei Enterprise Software jeweils mehrere Jahre“, berichtet der US-Analyst Vinnie Mirchandani „Mit S/4HANA könnte SAP diese Zyklen beschleunigen. Ganz werden die Walldorfer sie aber nicht außer Kraft setzen können.“ (Quelle: Deal Architect)

Viele Unternehmen beschweren sich, dass ihre SAP-Systeme im Laufe der Zeit immer komplexer wurden. Mit S/4HANA verspricht SAP eine Vereinfachung und eine Kostensenkung. Sie argumentieren, dass mit S/4HANA die Kosten zumindest in den ersten Jahren steigen werden. Warum?

S/4HANA verspricht viele attraktive Features wie das Fiori-Interface, die Datenbank SAP HANA und Implementierungen in der Cloud. Jedes dieser Features zieht einen Aufwand nach sich. Fiori erfordert Prozessänderungen und Anwenderschulungen während SAP HANA in der IT-Abteilungen neue Datenbank-Kenntnisse und neue Systemmanagement-Werkzeuge nötig macht. Bislang hat keine Implementierung von S/4HANA in der Public Cloud stattgefunden. Hinsichtlich Chance Management und Testing bei der Migration sind mir keine automatisierten Lösungen bekannt. Der Umstieg wird daher zum einem großen Teil vom Können der SAP-Partner abhängen. Schließlich meine Erfahrung aus der Vergangenheit: neue Produkte haben in der SAP-Welt bislang stets zu erhöhten Preisen für Serviceleistungen und zu Kostenüberschreitungen bei Projekten geführt.

Funktional hat S/4HANA noch nicht ganz zur SAP Business Suite aufgeschlossen, weil noch nicht alle Branchenlösungen auf SAP HANA optimiert sind. Wann glauben Sie dass das passieren wird?

SAP deckt 25 Industriebranchen ab und darüber hinaus Mikrobranchen wie etwa Sportteams. Die bisherigen Ankündigungen, wann S/4HANA sämtliche Branchenlösungen umfassen wird, waren verwirrend. Die ersten Updates werden vermutlich SAP-Fiori-Lösungen ohne neue Funktionalität sein. Technische Entwicklungen wie etwa Mobility, Soziale Netzwerke und Sensoren haben in den vergangenen Jahren viele Branchen dramatisch verändert. Beispiele hierfür sind mobile Banking und Telematik-basierte Versicherungsverträge für Pkws. Bislang ist nicht klar, wann S/4HANA Funktionalitäten in diese Richtung erhalten wird.

Mit dem Verweis auf Oracle Fusion argumentieren Sie, das eine betriebswirtschaftlichen Lösung der nächsten Generation jahrelange Entwicklungsarbeit erfordert, und dass es noch länger dauert, diese Lösung in die Unternehmen zu bringen. Wie lange wird das Ihrer Meinung nach bei S/4HANA dauern?

Vinnie Mirchandani, Ex-Analyst bei Gartner und PWC und nun in seinem eigenen Consultingunternehmen Deal Architect aktiv, beschäftigt sich in seinen Büchern ‚The New Polymath‘ und ‚The New Technological Elite`mit der Digitalisierung. Das Anfang 2015 erschienene ‚SAP Nation‘ beschreibt Strategien, mit denen Unternehmen ihre SAP-Systeme optimieren. Der Fokus von ‚SAP Nation 2.0‘ liegt auf der Frage, wie Unternehmen mit S/4HANA umgehen. SAP Nation 2.0, An Empire in Disarray, Vinnie Mirchandani, bei Amazon 11,10 Dollar als E-Book für Kindle und 17,99 Dollar als Taschenbuch.

In meinem Buch beschreibe ich drei Evolutionsstufen: die Produktentwicklung, die Stabilisierung und Reife und schließlich die Akzeptanz bei den Anwendern. Bei Enterprise Software bemisst sich jede dieser Phasen in Jahren. Es hat ja auch Jahre gedauert, bis die Unternehmen die Enhancement Packs für die SAP Business Suite implementiert hatten. Es könnte sein, dass SAP mit S/4HANA diese Zyklen beschleunigt. Ganz werden die Walldorfer sie aber nicht außer Kraft setzen können.

Risikoscheue Unternehme schrecken davor zurück, in Transaktionssystemen ihre relationale Datenbank gegen SAP HANA einzutauschen, weil sie an der Marktreife der In-Memory-Technologie zweifeln. Wann wird SAP HANA Ihrer Meinung nach aufholen?

Funktional hat SAP HANA in den vergangenen Jahren aufgeschlossen. Die Systemmanagement-Tools und das Wissen der Administratoren weisen aber noch nicht die gleiche Reife wie bei Datenbanken von Oracle, IBM, Microsoft und Sybase. Daher agieren einige Unternehmen sehr zurückhaltend. Da SAP HANA nicht sämtliche relationalen Datenbanken ersetzen wird, müssen die Unternehmen künftig doppelte Datenbank-Kenntnisse vorhalten.

SAP verschiebt Business-Logik nach und nach in die Datenbank. Werden SAP-Kunden künftig überhaupt noch Wahl haben, mit welcher Datenbank sie ihr System betreiben?

S/4HANA läuft ausschließlich mit SAP HANA, wie ja schon der Name sagt. Ich gehe aber davon aus, dass die Walldorfer die In-Memory-Option beispielsweise von Oracle 12c und von anderen Datenbanken unterstützen werden. Der genaue Umfang dieser Unterstützung ist allerdings bislang unklar.

Viele Kunden fragen sich, was S/4HANA für Ihre SAP-Strategie bedeutet, und wie sie ihre bestehenden Systeme in diese Welt migrieren. Können Sie hierzu allgemeine Ratschläge geben?

SAP-Partner schnüren jede Menge Angebote, um für Unternehmen eine Migrationsstrategie aufzusetzen und die einzelnen Schritte nach und nach abzuarbeiten. Begrenzend wirkt die Tatsache, dass S/4HANA zwar das Kernsystem ECC umfasst, aber nicht die von der SAP in den vergangenen zehn Jahren zugekauften Module wie beispielsweise BusinessObjects oder SuccessFactors. Weiterhin setzen viele SAP-Partner Migrationsprojekte bislang sehr arbeitsintensiv auf. Beide Begrenzungen wird SAP im weiteren Rollout von S/4HANA hoffentlich angehen und lindern.

In Ihren Buch beschreiben Sie einige Strategien, mit denen SAP-Anwender versuchen, mit weniger Aufwand mehr zu erreichen. Wie sehen diese Strategien aus?

Bereits für das Vorgängerwerk SAP Nation habe ich sowohl mit Anwendern gesprochen, die komplett der SAP-Strategie folgen, als auch mit Unternehme die ihre SAP-Systeme durch die Module von Drittanbietern anreichern. Eine weitere Gruppe sind Anwender, die pragmatisch Handlungsweisen der einen oder der anderen Gruppe anwenden. Insgesamt habe ich neun Strategien identifiziert, wie SAP-Anwender versuchen, ihre Investitionen zu maximieren. Diese Strategien verfolgen die Unternehmen weiter, während SAP die Produktstrategie in Richtung S/4HANA ändert.

Wie verbreitet sind die beschriebenen Handlungsweisen? Gibt es eine dominierende Strategie, die sich als erfolgreicher erwiesen hat als andere?

Nach meiner Beobachtung ergänzen wohl mehrere hundert Unternehmen ihre SAP-Systeme funktional durch Module von Drittanbietern. Etwa die Hälfte der von mir interviewten SAP-Anwender betreibt 40 und mehr Satelliten-Applikationen, und davon wiederum kommen weniger als zehn von der SAP. Viele Unternehmen verschieben ihre bisherigen Inhouse-Systeme in eine Private Cloud oder eine Public Cloud. In den USA nutzen zudem mehrere hundert Unternehmen die Wartung durch Drittanbieter. Eine dominierende Strategie gibt es demnach nicht sondern die Anwender picken sich diejenigen Elemente heraus, die für sie am besten passen. jf

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