Strategieratgeber für SAP-Anwender

Software von SAP steuert weltweit zehntausende Unternehmen. Das aktuelle Buch: „SAP Nation“ des US-Analysten Vinnie Mirchandani untersucht, wie Entscheider in SAP-Anwenderunternehmen ihr IT-Budget effizienter investieren.

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Quelle: Deal Architect Inc.

Die Marktmacht von SAP ging laut Vinnie Mirchandani im vergangenen Jahrzehnt zurück, weil Unternehmen in Cloud-Anwendungen, analytische Applikationen und in Mobiltechnologie investierten und dabei zumindest in Teilen die Vorteile eigenentwickelter Software wieder entdeckten. Im Exklusiv-Interview mit dem is report erläutert Vinnie Mirchandani die Erkenntnisse und Ergebnisse seiner Recherchen, die seinem Buch zugrunde liegen.

Sie haben anhand eines Modells die Kosten im SAP-Ökosystem geschätzt. Wie sieht Ihr Modell aus?

Die Beschreibung meines Modells umfasst ein Fünftel meines Buchs. Kurz gefasst: Die höchsten IT-Ausgaben hat es vor 2008 gegeben. In der weltweiten Rezession haben Trends wie Cloud, Software-as-a-Service die Kosten nach unten getrieben. SAP-Kunden haben mir jedoch berichtet, dass ihre Kosten nach oben gingen. Um zu untersuchen warum, habe ich ein Modell entwickelt. Dieses enthält über 20 typische Elemente, darunter MPLS (Multi Protocol Layer Switching), Inhouse SAP-Experten, und SAP Consulting. Nach meinen Berechnungen haben SAP-Kunden nach der Krise weltweit über 1 Billion Dollar für ihre Systeme ausgegeben. Mein Modell rechnet überaus konservativ. Es berücksichtigt weder Amortisierung oder Abschreibungen. Dabei wissen wir, dass bei ERP-Projekten Kostenüberschreitungen oder Fehlschläge nicht selten sind.

In 30 Kundeninterviews haben sie vier Strategien herausgearbeitet, wie Anwender mit dem SAP-Ökosystem umgehen. Wie sehen diese aus?

Ich habe SAP-Anwender gefunden, die ihre unternehmensweite Standardsoftware komplett austauschen, andere, die ihr SAP-System durch Module von Drittanbietern anreichern, solche, die komplett SAPs Produktstrattegie folgen und Pragmatiker, die je nach Bedarf Handlungsweisen der einen oder der anderen Gruppe anwenden. Innerhalb dieser Gruppen habe ich 12 Strategien identifiziert, wie die SAP-Anwender ihre Investitionen maximieren. Es geht dabei nicht um die Extreme. Ich kann denn Anwendern keinesfalls dazu raten, ihr komplettes SAP-System zu ersetzen. Es ist aber auch ebensowenig unwahrscheinlich, dass jedes SAP-Anwenderunternehmen sich vollständig auf die SAP-HANA-Strategie einlässt. Cover-SAP-Nation

Einige der von Ihnen interviewten Anwender beschweren sich in ihrem Buch darüber, dass ihre SAP-Systeme zu kompliziert sind. SAP positioniert SAP HANA als Baustein für die Vereinfachung der Systeme. Sehen Sie das nicht als Fortschritt?

SAPs Definition von Vereinfachung erscheint mir etwas zu eng und zu stark auf ihre Software fokussiert. Wenn Kunden die Komplexität von SAP-Systemen beklagen, so bezieht sich das auch auf verwirrende Preislisten, langwierige Einführungsprojekte und schwierige Upgrades.

Sie kritisieren, dass SAP ihren ursprünglichen Fokus von Applikationen verschoben hat auf Plattformen wie SAP Netweaver und SAP HANA. Was ist daran falsch?

In Kapitel 2 zeige ich Beispiele neuartiger Applikationen für Industrie 4.0 und Kundenbeziehungsmanagement sowie einige Branchenapplikationen, deren Entwicklung SAP verpasst hat, und wo die Walldorfer mit Zukäufen Boden gut machen wollen. Rund um Social Web, Mobility und Sensordaten haben sich neuartige Branchenapplikationen entwickelt, etwa Mobile Banking, Telematik-basierte Tarife für die Autoversicherung Industrieautomatisierung oder Wearable Computing. Derartige Applikationen haben die Anwender entweder selbst entwickelt oder von SAP-Konkurrenten gekauft. Aus Walldorf kam dazu kaum etwas.

Während andere IT-Anbieter Hardware zur Commodity erklären, setzen die Walldorfer mit SAP HANA auf RAM-optimierte Server. SAP argumentiert, dass deren höhere Performance die höheren Hardware-Kosten mehr als ausgleicht. Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Die SAP scheint davon auszugehen, dass die Konkurrenz unter den Herstellern von SAP-HANA-Servern im Lauf der Zeit die Preise drücken wird. Das halte ich für zu optimistisch. Diese Annahme geht von Kräften aus, die in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen des SAP-Ökosystems schlicht nicht vorhanden waren.

Die Verlagerung von Applikationen in die Cloud ist eine Strategie in Richtung Commodity. SAP setzt hier auf Partner wie IBM und HP, während Sie Amazon Web Services hervorheben. Wo ist Ihrer Meinung nach Amazon Web Services besser?

Bei Amazon bewundere ich das Verhältnis von Performance und Preis. Die Preise für Speicherplatz und Rechenleistung sinken dort in jedem Quartal. SAP-Kunden würden freiwillige Preissenkungen bei ihren Providern selbst dann lieben, wenn sie nur einmal pro Jahr stattfänden. Neben Amazon bespreche ich im Buch Microsoft Azure, Google, Facebook Switch Supernap und andere überaus erfolgreiche Datencenter-Anbieter.

Taugen denn Amazon Web Services auch für Mission-critical Applikationen?

Selbst der amerikanische Geheimdienst CIA mit seinen besonderen Sicherheitsanforderungen hat bei der Infrastruktur Amazon gewählt. Das zeigt, dass dort auch Mission Critical Applikationen laufen können.

Europäische Kunden bevorzugen als Reaktion auf den Ausspähskandal der NSA Rechenzentren in Europa, deren Betreiber sich den hierzulande geltenden strengen Datenschutzrichtlinien verpflichtet haben. Können Amazon & Co diese erfüllen?

Ich respektiere die deutschen Bedenken in Sachen Datenschutz. Auch einige amerikanische Bürger sind ja mit den NSA-Aktivitäten nicht einverstanden. Der Fokus auf Datenschutz sollte allerdings nicht dazu führen, dass man auf effiziente Abläufe verzichtet.

Wer ein SAP-System durch Module von Drittanwendern funktional erweitern will, braucht tiefere Kenntnisse als ein Anwender, der alles aus einer Hand bezieht. Welche sind das?

Kein Software-Hersteller wird jemals alle Bedürfnisse der Anwender erfüllen können. Ein gewisser Mix im System ist daher unausweichlich. Um damit umzugehen, brauchen IT-Manager tiefe Kenntnisse in Sachen Integration. Sie müssen lernen, mit neuartigen Tools und Testmethoden umzugehen, die beispielsweise von Informatica oder Dell kommen. Hinzu kommen Web Services und Modelle für die Cloud-Integration. Ein Manager des britischen Pharmakonzerns AstraZeneca betont, dass IT sich schon immer um die Integration divergierender Systeme kümmern musste. Es habe sich lediglich das Ausmaß geändert, und zwar soweit, dass man die Abkürzung CIO eigentlich mit Chief Integration Officer übersetzen müsste.

Für die kommenden Jahre erwarten Sie einen Paradigmenwechsel in Richtung der sogenannten Operational Technology. Was meinen Sie damit?

Diesen Begriff beschreibt ein Manager von General Electrics am besten. Er geht davon aus, dass die Benutzeroberfläche künftig eine Schnittstelle für die Interaktion zwischen Mensch und Maschinen wird. Ein weiterer Aspekt sei Big Data: Mit 120.000 Gasturbinen weltweit, von denen jede täglich ein halbes Terabyte an Daten produziert, mussten sich die Betreiber völlig neu überlegen, was sie lokal verarbeiten und was sie in die Cloud verlagern. Auch die Sicherheitsanforderungen sowie die Verfügbarkeits-Garantieren hat General Electrics neu gestaltet. Fällt ein Energie-Grid aus, beschweren sich tausende Anwender. Operational Technology erfordert laut General Electrics eine sehr enge Integration von physischen Systeme und IT-Infrastrukturen. jf

SAP-Budgets effizienter investieren
Als Analyse und Strategieleitfaden spricht dieses Buch gleichermaßen Kunden, Partner und Mitarbeiter von SAP an. Der Autor zeichnet eine jahrzehntelange Entwicklung nach, lobt die Erfolge der SAP und verweist darauf, was besser hätte laufen können. IT-Leitern will das Buch dabei helfen, ihre SAP-Ausgaben effizienter zu investieren.
SAP Nation, A Runaway Software Economy, Vinnie Mirchandani, bei Amazon 23,54€ als Taschenbuch und 9,99€ als eBook für Kindle.

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