DSAG-Umfrage: SAP-Kunden sind nur verhalten interessiert an S/4HANA

Bei SAP ERP on HANA beklagte die SAP-Anwendervereinigung DSAG die fehlenden Business Cases. Bei SAP S/4HANA rechnet sich laut dem DSAG-Vorstandsvorsitzenden Marco Lenck eine Migration, wenn neue Funktionalität Geschäftsabläufe optimiert. Im Exklusiv-Interview mit dem is report sagt er warum.

Bei SAP ERP on HANA war das Interesse der DSAG-Mitglieder 2014 recht verhalten: 5 Prozent hatten Projekte, weitere 11 Prozent planten sie. Wie sieht das Interesse an S/4HANA aus?

DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck. Quelle: DSAG

Ähnlich. Wir haben gerade die Ergebnisse einer Umfrage Screenshot (1)vorliegen, bei der 357 Unternehmen geantwortet haben. 6 Prozent haben Projekte für S/4HANA gestartet, weitere 4 Prozent haben sich schon mal die Lizenzen gesichert und starten ihre Projekte später. 37 Prozent informieren sich über S/4HANA, und weitere 37 Prozent haben angegeben, das sei für sie kein Thema, weil sie darin keinen Mehrwert erkennen.

 

Was brauchen die Unternehmen, um sich für S/4HANA zu entscheiden?

Genau das haben wir unsere Mitglieder gefragt. 72 Prozent sagen, dass der Funktionsumfang und die Verbesserungen im Vergleich zum bisherigen System für sie den Ausschlag geben. 56 Prozent fragen nach Informationen zum Geschäftsnutzen, also zum Business Case. 50 Prozent suchen Informationen zum Lizenzmodell, und 37 Prozent fragen nach den technischen Voraussetzungen für S/4HANA. Um Missverständnisse zu vermeiden: Mehrfachnennungen waren möglich.

Den Mangel an Business Cases hatten Sie 2014 für das eher verhaltene Interesse an SAP ERP on HANA verantwortlich gemacht. Gilt das auch für S/4HANA? Wie müsste hier ein Business Case aussehen?

Die Frage nach dem Business Case ist teilweise abstrakt, und daher haben wir explizit Screenshot (2)nach den gewünschten Funktionen und Verbesserungen gefragt. In dem Moment, wo Unternehmen mit S/4HANA Funktionen bekommen, die einen Differenziator für ihr Geschäft darstellen, rechnet sich auch ein Business Case. Bislang wissen die Unternehmen allerdings nicht, welche Funktionen Sie mit S/4HANA konkret bekommen.

Welche Funktionen sind notwendig, damit sich eine Migration rechnet?

Mit SAP ERP on HANA haben die Unternehmen eine neue Datenbank bekommen. Das System wurde schneller, aber an den Prozessen hat sich nicht viel geändert. Mit S/4HANA ändern sich auch die Prozesse. Entscheidend bleibt aber die Frage nach den neuen Funktionen. Insbesondere beim neuen Logistikmodul SAP sLog, das neben der neuen Datenbank auch neue Datenmodelle erhält. Die Unternehmen wollen nun wissen, wie ihre Logistik und Produktion damit besser laufen können. Heute haben wir darauf keine Antworten, weil die SAP viel zu wenig informiert.

Erwarten Sie von der SAP detaillierte Musterlösungen?

Ja, und genau so verstehen wir das Motto des Jahreskongresses ‚ERP for Customer‘. Die DSAG-Mitglieder fragen sich, auf welcher ERP-Plattform sie morgen ihre Geschäftsprozesse abwickeln. Das kann SAP S/4HANA sein, aber ebenso gut die SAP Business Suite. Viele Unternehmen bevorzugen die letztgenannte Lösung. Daher brauchen wir eine Roadmap für die digitale Transformation, nicht nur für SAP HANA. Produktseitig erwarten wir, dass die SAP Business Suite gleichberechtigt und unabhängig von S/4HANA weiterentwickelt wird.

Auf dem Stuttgarter Controller Forum haben die Consulter von Horváth&Partners S/4HANA als Enabler dafür bezeichnet, dass Accounting, Planung und Controlling zusammenwachsen. Voraussetzung dafür sei eine geänderte Datenhaltung, bei der sämtliche Informationen mit Bezug zu einem Konto erfasst werden. Diskutiert auch die DSAG solche Szenarien?

Aber sicher. Aufgrund des vereinheitlichten Datenmodells in SAP S/4HANA wird es künftig keine unterschiedlichen Buchungen mehr im Accounting und Controlling geben. Das hat den Vorteil, dass die monatlichen Abstimmungen entfallen. Aber die Unternehmen müssen ihre Buchungsvariante aus der Vergangenheit dahingehend untersuchen, ob sie die Informationen nicht widersprüchlich erfassen. Die gemeinsame Datenbasis umfasst nicht nur Accounting, Controlling und Planung, sondern ermöglicht auch Simulationen. Bisher brauchte man dafür separate Lösungen. Die Hausaufgabe der Unternehmen besteht nun darin, das dahinterliegende System zu vereinheitlichen. Das gilt nicht nur für Finance, sondern auch für Logistik und Produktion.

Der US-Analyst Vinnie Mirchandani bezweifelt die versprochene Kostensenkung bei SAP S/4HANA und verweist darauf, dass in der Vergangenheit neue SAP-Produkte stets zu erhöhten Preisen für Serviceleistungen und zu Kostenüberschreitungen bei Projekten geführt haben. Sehen auch Sie diese Gefahr? Wenn ja, wie lässt sie sich vermeiden?

Prinzipiell besteht diese Gefahr immer, und die Schuld daran trägt nicht immer der Software-Hersteller. Wenn ein Unternehmen eine neue Lösung einführt und dies nicht mit einem entsprechenden Projektmanagement und einer Vision begleitet, was damit erreicht werden soll, dann besteht die Gefahr, dass die Investitionskosten nicht wieder herein gespielt werden. SAP S/4HANA verursacht zusätzliche Kosten für Lizenzen und Hardware. Wenn Unternehmen über verbesserte Funktionalität ihre Geschäftsprozesse optimieren, dann können sie diese Investitionen um ein Vielfaches wieder reinholen. Das Potenzial ist da, aber man muss es auch heben.

Welche Schritte müssen die Unternehmen vor einer Migration durchführen?

Einen Teil dieser Frage habe ich bereits beantwortet: Für Finance und Controlling müssen die Unternehmen ihre Buchungsinformationen vereinheitlichen. Rein technisch muss die IT-Abteilung die individuellen Erweiterungen im Systemcode überprüfen, ob diese auch im neuen System laufen, und diese gegebenenfalls anpassen und entschlacken. Die Migration auf S/4HANA stellt daher ein nicht zu unterschätzendes Projekt dar. Auf dem Jahreskongress setzen wir dazu eine Fragerunde an die SAP auf.

Welche Leistungen erwartet die DSAG von der SAP, um die Unternehmen bei der Migration zu unterstützen?

Unsere Mitglieder erwarten Services, die mögliche Problemstellungen im Vorfeld aufzeigen, und die ihnen helfen, diese Schwierigkeiten zu lösen. In Teilen gibt es solche Angebote bereits. Wir sehen aber einen Bedarf, solche Services zu paketieren. Die Packages selbst wird wohl eher SAP anbieten. Die Hilfestellung beim Rollout dieser Packages kann auch von den Partnern kommen.

Können Sie allgemeine Ratschläge geben, wie Unternehmen ihre SAP-Strategie auf SAP S/4HANA abstimmen?

Es ist nicht zielführend, SAP S/4HANA einzuführen, ohne zu wissen, was man damit erreichen will. Dafür ist die Investition einfach zu groß. Die Unternehmen müssen sich überlegen, welchen Bedarf sie haben, welche Vorteile sie sich von SAP S/4HANA erwarten, und dann prüfen, ob und wie das heute funktioniert. Erst wenn das geklärt ist, können sie bei SAP oder einem SAP-Partner nach einem Implementierungsprojekt fragen.

Der US-Analyst Mirchandani argumentiert, dass es Jahre dauern wird, bis S/4HANA in der Bestandskundschaft von SAP einen relevanten Anteil erzielt. Sind Sie hier ebenso skeptisch?

Wir haben unsere Mitglieder gefragt, wie sie die strategische Relevanz der verschiedenen SAP-Lösungen für ihr Unternehmen einschätzen. Für 70 Prozent der Unternehmen hat nach wie vor die SAP Business Suite eine hohe Relevanz, für 22 Prozent eine mittlere Relevanz. 28 Prozent der Unternehmen sagen, dass SAP S/4HANA on premise für sie eine hohe strategische Relevanz besitzt, 37 Prozent verweisen auf eine mittlere Relevanz. Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen, die dem Produkt eine hohe strategische Relevant zuschreiben, sich intensiv damit beschäftigen. Früher oder später wird sie die neue Funktionalität davon überzeugen, ein Projekt zu starten. Es gibt also eine Vorhut von Early Adopters. Ich glaube allerdings nicht, dass der Break Even zwischen SAP S/4HANA und der SAP Business Suite in den nächsten drei Jahren kommen wird. jf

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