Client-Server-Modell erschwert künftig bedarfsgerechten Technologiebezug

IT-Entscheider in Unternehmen müssen stärker als je zuvor die Strategien von relevanten IT-Anbietern und Dienstleistern verstehen. Wer nicht auf Cloud Computing setzt, muss seine IT-Organisation an die sich ändernden Rahmenparameter anpassen.

Axel Oppermann WebVon Axel Oppermann
Fakt ist: Quasi Jedermann nutzt Cloud Services im Privaten. Sei es direkt via PC, Mac oder Smartphone; oder indirekt, indem an Automaten Waren und Dienstleistungen beschafft oder Kartenzahlungen ausgelöst werden.

Verlorene IT-Investitionen
Doch bei all dem prognostizierten und realen Marktwachstum, bei dem Marketinggetöse und dem Produktfeuerwerk haben viele IT-Manager gemischte Gefühle, wenn es um das Thema Cloud Computing geht. Sie sind nicht davon überzeugt, dass Cloud der richtige Weg für sie ist, den sie zukünftig gehen wollen. Dies gilt in Teilen auch für private Clouds.

Gründe, Einwände und Vorwände gibt es reichlich. Aber was viele Entscheider neben ethischen und moralischen Gründen abhält, sind insbesondere die über die Jahre hinweg geleisteten Investitionen in Mitarbeiter-Know-how, den Aufbau einer IT-Infrastruktur und die Support- Serviceleistungen rings um das Client-Server-Modell. Werden diese Beträge kumuliert, kommt in mittelständischen Unternehmen schnell ein sechs- oder siebenstelliger Betrag zusammen. In großen Unternehmen oder Konzernen sind diese (verlorenen) Investitionen um ein Mehrfaches höher.

Unternehmens-IT verfolgt keinen Selbstzweck
Ob die Entscheidung gegen Cloud Computing im eigenen Unternehmen nun auf fundierten Fakten oder dem „Bauchgefühl der alten Hasen“ beruht, ist zweitrangig. Von primärer Bedeutung sind die Auswirkungen. Es muss klar sein, dass Cloud Computing ein agiler Ansatz ist, der es Unternehmen erlaubt konkurrenzfähig zu sein, zu werden oder zu bleiben. Eine entscheidende Größe in Märkten, die durch Verdrängung geprägt sind.

Es steht ferner außer Frage, dass es bei Cloud Computing nicht vorrangig um das direkte einsparen von Geld geht. Vielmehr müssen bei allen Betrachtungen die Möglichkeiten für das Unternehmensziel an oberster Stelle stehen. Unternehmens-IT im Allgemeinen und Cloud Computing verfolgen keinen Selbstzweck. Aber es gilt auch das Credo, dass nur derjenige wirklich Nutzen ziehen kann (Erfolg haben wird), der sich unterscheidet.

Umfassende Strategie ist erforderlich
Unabhängig davon, ob sich ein CIO für oder gegen Cloud Computing als einen zentralen Teil seiner Unternehmens-IT ausspricht, bedarf es einer umfassenden Strategie. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die weiterhin ihrem „klassischen“ IT-Betrieb – dem Client-Server-Modell – folgen wollen. Für sie wird es zunehmend schwierig, bedarfsgerecht und zukunftssicher Informationstechnologie wie Hardware, Software oder auch IT-Dienstleistungen zu beziehen. Dies wird insbesondere dann sichtbar, wenn die Produktplanungen (Roadmaps) der großen Anbieter genauer betrachtet werden.

Noch dramatischer wird die Situation für diese IT-Verantwortlichen, wenn sie sich die sich ändernden Nutzungsrechte für Software oder die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Preisen für „klassische“ Beschaffungsmodelle und Cloud-Lösungen veranschaulichen. Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass Hersteller ihren Cloud-Angeboten umfassendere Nutzungsrechte einräumen, als es bei den On-Premises-Lizenzen der Fall ist. Auch ist zu erkennen, dass die Lizenzpreise für Datenbanklösungen oder Server-Lösungen steigen, während der sich Preise für Rechenleistung & Co. aus der Cloud noch regelmäßig reduziert.

Problem der Vergleichbarkeit der Leistungen
Ein weiteres Problem, welches für IT-Abteilungen entsteht, ist der zunehmende Druck auf die Leistungsfähigkeit der eigenen IT-Organisation. Es ist davon auszugehen, dass die großen Cloud-Anbieter in einem ihrer nächsten Marketingschachzüge verstärkt auf Entscheider in den Fachabteilungen und der Unternehmensführung zugehen und über eine direkte Vergleichbarkeit der Leistungen (Leistungsfähigkeit) kommen.

Dies wird auf zwei Ebenen erfolgen: Einerseits bezogen auf die Geschäftsanforderungen und Geschäftsnotwendigkeiten. Auf der anderen Seite fokussiert auf Kennzahlen für den Bereich Betrieb oder Qualität (Service Level). Diese, mit hohen Millionenbeträgen finanzierten Kampagnen, werden der Unternehmens-IT abermals zusetzen.

IT wird oftmals noch nicht als Produktionsfaktor verstanden
Für CIOs, die sich aus welchen Gründen auch immer gegen Cloud Computing entscheiden, kann es ein „weiter so“ nicht geben. Auch wer beim klassischen Client-Server-Modell verharrt, eigene Service- und Support-Abteilungen betreibt und sogar ausbaut oder den Betrieb eigener Rechenzentren – respektive etablierte Sourcing-Modelle – forciert, muss in Bewegung bleiben.

Die Abläufe und IT-Organisation müssen optimiert werden. Sie müssen sich mit denen moderner IT-Fabriken messen lassen. Stundenlanges „Betanken“ von Clients, tagelanges Aufsetzen von Servern oder wochenlanges Bauen von Images wird nicht mehr tragbar sein. Diese Unternehmens-IT ist gezwungen, sich mit den Gepflogenheiten globaler IT-Konzerne zu messen. Insbesondere für mittelständische Unternehmen ein schweres Unterfangen. Gerade hier wird IT oftmals nicht als Produktionsfaktor verstanden.

Probleme mit der Budget-Planung
Spätestens in zwei bis drei Jahren werden diese Unternehmen Probleme mit ihrer Budget-Planung bekommen. Bereits heute erhöhen die führenden Anbieter von Business-IT die Preise für Software oder Nutzungsrechte beinahe willkürlich. Anstiege von über 30 Prozent über Produktgenerationen hinweg sind keine Seltenheit. Nutzungsrechte werden immer stärker gekoppelt. Dies treibt die Kosten. Bei Planungen kann zunehmend nicht mehr auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.

IT-Dienstleister standardisieren – ganz dem Ruf der IT-Fabrik und Cloud folgend – ihre Services. Sollte dies einer breiten Masse an Dienstleistern in den kommenden zwei bis vier Jahren gelingen, werden Services, die nicht der dann gültigen Norm entsprechen preislich diskriminiert – also stark verteuert.

Fachabteilungen emanzipieren sich
Neben all den IT-bezogenen Größen gilt es, die Anforderungen der Fachabteilungen (Lines of Business, LOB) nicht zu unterschätzen. Diese haben sich in den letzten Jahren nachhaltig geändert. Die LOBs haben sich emanzipiert und können ihre Forderungen durchsetzen – respektive auch ohne Unternehmens-IT ihre Bedarfe decken. Insbesondere die Mobilisierung von Prozessschritten und die Fragmentierung der Arbeitswelt wird die klassische IT vor Herausforderungen stellen.

Anwender sollten Interessengemeinschaften forcieren
Schon der amerikanische Schriftsteller Christopher Darlington Morley sagte: „Es gibt nur einen Erfolg – das Leben nach seinen eigenen Vorstellungen leben zu können.“ Leider ist dies in unserer globalisierten und arbeitsteiligen Welt kaum möglich. Insbesondere die Interessen und Strategien Dritter gilt es, in unserem darwinistischen Wirtschaftssystem zu antizipieren. Bezogen auf die Unternehmens-IT bedeutet dies aktuell stärker als je zuvor, die Strategien von relevanten IT-Anbietern und Dienstleistern zu verstehen.

Dann gilt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen. CIOs, die nicht auf Cloud Computing setzen, müssen ihre IT-Organisation an die sich ändernden Rahmenparameter anpassen. Und dies lieber heute als morgen.
Hierzu gilt es, die eigene Roadmap und IT-Strategie an der Ausrichtung der führenden IT-Lieferanten zu spiegeln. Gibt es viele Gemeinsamkeiten oder Parallelen, die wie bei einem Parabolspiegel, exakt im Brennpunkt (der eigenen Strategie) gebündelt werden, scheint die Welt in Ordnung. Gibt es eine große Streuung, welche zu Wechselwirkungen führen, erhöht sich der Handlungsdruck.
Es wird empfohlen, sich in diesem Kontext auch mit präferierten IT-Dienstleistern auszutauschen. Darüber hinaus sollten Interessengemeinschaften auf Anwenderseite forciert werden. Axel Oppermann/hei

Axel Oppermann ist als Senior Advisor bei der Experton Group tätig.

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