App-Entwicklung erschließt Produktivitätsvorteile

Sicherheitsbedenken und hohe Kosten verzögern mobile Applikationen. Agile Entwicklungsmethoden verkürzen die Zeit bis zur Fertigstellung. Stringentes Testing stellt die Qualität der Apps sicher. (Ausgabe 10/2013)

Trotz des massiven Einsatzes mobiler Geräte stellen Unternehmen ihren Mitarbeitern, Kunden und Partnern nur selten mobile Apps bereit. Vor allem Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Kosten hindern sie daran, Mobility-Strategien umzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweite Studie, die der Marktforscher Vanson Bourne im Auftrag von Progress Software im Dezember 2012 und Januar 2013 durchgeführt hat. Befragt wurden insgesamt 600 Entscheider aus den Branchen Finanzdienstleistungen, Produktion, Einzelhandel und Supply Chain. Ein Zehntel der Befragten kommt aus Deutschland.

Mobile Apps gelten als Wettbewerbsvorteil
Laut der Studie nutzen Mitarbeiter in 95 Prozent der befragten Unternehmen private Smartphones und Tablets sowie private Mobilanwendungen für die Arbeit. In Deutschland liegt dieser Wert mit 93 Prozent annähernd genauso hoch. 92 Prozent der Befragten weltweit und 80 Prozent in Deutschland sind der Ansicht, dass es einen Wettbewerbsnachteil bedeutet, keine eigenen mobilen Apps im Unternehmen einzuführen. Dennoch hat mit 29 Prozent lediglich ein gutes Viertel der Unternehmen bereits ein offizielles Mobility-Projekt gestartet. In Deutschland liegt dieser Wert mit 22 Prozent noch darunter. 42 Prozent der befragten Unternehmen plant ein solches Projekt allerdings für 2014 – sowohl weltweit als auch in Deutschland.
„Die Unternehmen müssen ihre App-Lücke schleunigst schließen, wenn sie von den Produktivitätsvorteilen mobiler Geräte profitieren wollen“, warnt Gary Calcott, Technical Marketing Manager, Application Development & Deployment bei Progress Software. „Die Entwicklungsplattformen dafür  müssen nicht nur Sicherheit und Kontrolle bieten, sondern auch Applikationen für verschiedene mobile Betriebssysteme unterstützen.“
Bei Sicherheit und Support haben Unternehmen größte Bedenken
Als größte Hindernisse für die Implementierung einer offiziellen Mobility-Strategie nennen die Unternehmen weltweit Sicherheitsbedenken (54 Prozent), die Höhe der Investitionen (48 Prozent) und den Bedarf an ständigem Support (47 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Deutschland, wo Sicherheitsbedenken (53 Prozent) und die zusätzlichen Investitionen (45 Prozent) ebenfalls die Liste anführen. Auf Platz drei liegt auch in Deutschland der Support. Mit 32 Prozent der Nennungen bereitet er den Unternehmen hierzulande allerdings deutlich weniger Kopfzerbrechen als im Rest der Welt.
Die Adaption ihrer Geschäftsanwendungen auf Mobilgeräte schätzen die Unternehmen als schwierig ein. Nur 15 Prozent gehen davon aus, dass sie ihr komplettes Software-Portfolio problemlos anpassen können (Deutschland: zwölf Prozent). Mehr als die Hälfte der weltweiten Unternehmen (56 Prozent) fürchtet außerdem, nicht über die nötigen Kompetenzen zu verfügen, um Anwendungen und Schnittstellen für die unterschiedlichen mobilen Plattformen entwickeln zu können (Deutschland: 33 Prozent).
Von den Befragten, die bereits wissen, wie sie im Falle einer Entwicklung von Unternehmens-Apps vorgehen, würden 62 Prozent damit lieber einen bewährten Anbieter beauftragen. Die restlichen 38 Prozent dieser Gruppe bevorzugen es, die Apps im eigenen Haus zu entwickeln. Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich in dieser Frage auch in Deutschland mit 61 zu 39 Prozent.

Fünf Monate Entwicklungszeit erscheinen Consultern zu lang
Bis ein Unternehmen seine mobilen Applikationen auf neue Software-Versionen mobiler Endgeräte angepasst hat, dauert im Schnitt fünf Monate. So lautet das Ergebnis einer weiteren von Vanson Bourne durchgeführten Untersuchung zur Entwicklung mobiler Applikationen. „Dieser Wert ist sehr bedenklich, wenn man sich nur die extrem kurzen Software-Update-Zyklen der Anbieter mobiler Geräte vor Augen hält“, erklärt Christian Rudolph, Vice President Borland Sales International bei Micro Focus. Im Auftrag der Micro Focus Tochter Progress Software hatten die Marktforscher IT-Verantwortliche aus Unternehmen befragt, die Mainframes einsetzen und mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Antworten kamen von 590 IT-Verantwortlichen aus neun Ländern, aus Deutschland (100), Frankreich (100), Großbritannien (100), Australien (35), Brasilien (100), Hongkong (15), Neuseeland (15), Singapur (25) und den USA (100).
Zentrales Ergebnis: die Mitarbeiter können heute erst auf 31 Prozent aller Business-Applikationen von mobilen Geräten aus zugreifen. Die Befragten gehen allerdings davon aus, dass es bereits in drei Jahren schon 46 Prozent sein werden. Nur vier Prozent der Unternehmen haben überhaupt keine Pläne für die Bereitstellung von mobilen Anwendungen.
Höhere betriebliche Effizienz ist das Hauptmotiv für Mobility
Das Hauptmotiv für die Einführung mobiler Applikationen ist laut Studie die betriebliche Effizienz und nicht die Optimierung der Kundenbeziehung. Die Rangfolge der Prioritäten lautet: Verbesserung der operativen Prozesse (78 Prozent), Optimierung der Kosten (66 Prozent), Gewinnung neuer Kunden (66 Prozent) und Bindung von Bestandskunden (58 Prozent).
Generell werde die Entwicklung mobiler Applikationen für Tablets wichtiger werden: Heute stellen hier nur 23 Prozent aller Befragten spezielle Anwendungen bereit, in zwei Jahren wollen es bereits 48 Prozent sein. Bei den mobilen Betriebssystemen setzen die befragten Unternehmen bei der Applikationsentwicklung vor allem auf Android (78 Prozent), Apple iOS (65 Prozent) und Windows ­Phone (52 Prozent). Abgeschlagen folgt BlackBerry OS mit 36 Prozent. Klares Schlusslicht ist das inzwischen abgekündigte Nokia-Betriebssystem Symbian mit lediglich sieben Prozent.
Besondere Probleme bereite die Konzeption und Nutzung mobiler Applikationen vor allem im Mainframe-Umfeld. 78 Prozent der IT-Verantwortlichen bestätigen in der Untersuchung, dass die Nutzung von Mainframes die Entwicklung, Implementierung und Bereitstellung mobiler Applikationen erschwert – vor allem im Hinblick auf die Inter-
operabilität mit der bestehenden Systemlandschaft. „Dieses Ergebnis zeigt klar, dass die größte Herausforderung darin liegt, eine Brücke zu schlagen zwischen der Mainframe-Welt und mobilen Anwendungen“, erläutert Rudolph. „Dies ist vor allem deshalb unerlässlich, da sich immer noch ein Großteil der Applikationen, auf die ein Zugriff von mobilen Geräten aus ermöglicht werden soll, auf Mainframes befindet. Core-Banking-Systeme im Bankenbereich oder Bestandsführungssysteme einer Versicherung sind hier nur zwei Beispiele.“

Mobile Apps brauchen Testing-Strategien
Eine weitere Schwierigkeit bei mobilen Applikationen stellt die Qualitätssicherung dar. Laut der jüngsten Ausgabe des World Quality Report von Cap-
gemini, Sogeti und HP, einer jährlichen Umfrage zu den Themen Software-Tes­ting und Qualitätssicherung, liegt hier auf Unternehmensseite einiges im Argen. Die Mehrheit aller Befragten sieht demnach beim Testing mobiler Anwendungen große Herausforderungen. 65 Prozent der Unternehmen meinten, dass sie nicht die richtigen Tools für das Testen haben, 52 Prozent bemängelten fehlende Geräte und 34 Prozent verfügen nicht über die richtigen Testprozesse und -methoden.
„Um diese Problematik in den Griff zu bekommen, sollte jedes Unternehmen zunächst eine stringente Strategie festlegen“, erläutert Gregor Rechenberger, Senior Product Manager bei Micro Focus. Da angesichts der großen Anzahl an mobilen Geräten und Plattformen ein Testen aller Varianten nahezu unmöglich ist, sollte eine Begrenzung der Zielgeräte erfolgen. „Es hat sich bewährt, die Auswahl auf zirca acht Endgeräte zu beschränken, mit denen man meist  einen Abdeckungsgrad von 90 Prozent erzielen kann.“ Anschließend  gehe es darum, das Verhalten der Apps zu bestimmen. Dazu gehöre zum Beispiel die Bildschirm-Auflösung der mobilen Endgeräte. Auch die verschiedenen Betriebssysteme und ihre jeweils aktuellen Versionen sowie die Prozessor-Performance müssten betrachtet werden.

Ein Test Coverage Plan definiert die Prüfungen
Nachdem die Basisaktoren bestimmt sind, sollte in einem Test Coverage Plan automatisierte Last- und Performancetests der mobilen Anwendungen sowie automatisierte Funktionsprüfungen definiert werden. Nur damit  ließen sich auch kritische Risikopotenziale für die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems ausschließen. Beim funktionalen Testen von mobilen Anwendungen sind laut Rechenberger in Erweiterung zu herkömmlichen Testansätzen für Enterprise-Applikationen einige Besonderheiten zu beachten:

  • Direktes Testen: Die Tests müssen direkt auf den Endgeräten laufen.
  • Um den Testprozess zu vereinfachen, sollte eine direkte Verbindung der Endgeräte mit der Testumgebung möglich sein („Plug&Test“).
  • Offene Standards: Die verwendeten Skripts sollten unterschiedliche Sprachen unterstützen, zum Beispiel C#, Java oder Perl.
  • Integrationsfähigkeit: Es ist wichtig, dass Tests für entwicklungszentrierte Automatisierungswerkzeuge (zum Beispiel Silk Test) exportiert werden können. Damit kann das Testen mobiler Applikationen automatisiert den etablierten Prüfungen im ERP-Umfeld (unternehmensweite Standardsoftware) hinzugefügt werden.
  • Umfassende Plattformunterstützung: Es ist essenziell, dass die marktbestimmenden mobilen Zielplattformen unterstützt werden. Das eingesetzte Tool muss daher grundsätzlich die Betriebssysteme Google Android, Apple iOS, BlackBerry, Windows Phone sowie HTML5 unterstützen.
  • True Object Mapping: Von Vorteil ist es, wenn die Testautomatisierungslösung ein True Object Mapping mit Image, Text und Native Mapping beinhaltet. Wenn ein Testverfahren eine Erkennung von Bild-, Text- und nativen Daten bietet, werden die Testmöglichkeiten durch Betriebssystemwechsel nicht eingeschränkt, das heißt, Anwender müssen bei Plattformwechsel Tests nicht unterbrechen und keine Verzögerung bei Testautomatisierungsprozessen in Kauf nehmen.

Last- und Performance-Testverfahren weisen bei mobilen Anwendungen ebenfalls Besonderheiten auf und müssen deshalb laut Rechenberger die folgenden Kriterien erfüllen:

  • Testen nativer Applikationen: Der Tester muss die Tests direkt auf dem mobilen Gerät über HTTP und HTML ausführen können.
  • Test-Replays: Nach der Durchführung eines Tests mit einem bestimmten Endgerät und einer ausgewählten Bandbreite bei der mobilen Netzwerkverbindung sollte auch ein Test-Replay mit unterschiedlichen Endgeräten und Verbindungen möglich sein.
  • Simulation von Last und Kommunikationsverbindungen: Dabei sollte eine Simulation von Last, unterschiedlichen Verbindungen und Tausenden von Usern möglich sein. Wenn die Lösung bei den Lasttests ein realistisches Nutzerverhalten im Cloud- beziehungsweise im On-Premise-Modell oder in Kombination von beidem nachbilden könne, biete sie Analysemöglichkeiten für alle Performance-Probleme eines Systems.

Mit einem einmaligen Prüfungslauf ist es allerdings nicht getan: „Bei sämtlichen  Änderungen an den Applikationen ist es erforderlich, sowohl die Funktions- als auch Performancetests erneut durchzuführen“, erläutert Rechenberger. „Dabei muss geprüft werden, ob die Veränderungen einen negativen Einfluss auf die Funktion und die Applikations-Performance haben.“ jf
Die Experten:

Gregor Rechenberger,  Senior Product Manager  bei Micro Focus

Gregor Rechenberger,
Senior Product Manager
bei Micro Focus

Christian Rudolph, Vice President Borland Sales International  bei Micro Focus

Christian Rudolph, Vice President Borland Sales International
bei Micro Focus

 

 

Kommentare sind deaktiviert